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zu verirren drohte. Er verwarf daher auch die Consegueuzen der französischen uud deutschen Schulen, welche die menschliche Bcrnunst von der Herrschaft des kirchlichen Dogmas befreit habe». Sein ganzes Bestreben war ein politisches, ein Bestreben, dem sein Geist eben so, wie sein Herz, gehörten; er verfolgte ein Problem, das seine Politik verwirklichen sollte, das auf dem geistigen Gebiete aber nicht gelost werden kann. In seinen religiösen Anschauungen hatte er viel Verwandtschaft mit deu Iansenistcn, wie denn auch Pascal sein Lieblingsschriftsteller war.
Unter seine» in Brüssel erschienenen Werken erwähnen wir die „'l'vorm ^ 8oi'r»NÄturaIv (1838), I'wia'»cku/,ic>nv all'8tniUu ücilg, lil»8oiu.l (18-iö), vl I'ii- mato moralv « civile äeßMaUu,m (<8z3), dem die „?rol«Aomkva" zur zweiten AnSgabe 18/,li folgten. Ferner daö Bnch >,<Ivl lZnuno." Im ?rimlilo stellte er als sein Programm auf: „Italien bedarf eines Bundes seiner Staaten; für diese Staaten Reformen; für diesen Bund einen geistlichen Chef: dcn Pabst; einen militärischen: deu König von Sardinien, den Hüter der Alpen; eine Hauptstadt: Rom; einen Wafftnplatz: Tnriu; und vor Allen bedarf es für die italieui- fchen Fürsten des Gefühls der Nationalität, für die vom Ausland beherrschten Provinzen des Beispiels vereinigter Kräfte, der Gebnld und der Zeit."
Das Geschick schien den großen Plan einer sriedlicheu Verjüngung Italiens, den Gioberti hegte, zu begünstigen. Auf den strengen, jeder Reform abgeneigten Gregor XVl., der übrigens merkwürdiger Weise den bei ihm verklagten Schriften Givberti'S, statt sie zn verdammen, Lob gespendet hatte, folgte 1846 Pins IX. und begann zum Erstauueu der Welt jene liberale Mission, der eine so traurige Umkehr folgen sollte. Carl Albert verließ das System der Unterdrückung nnd Unterordnung an Oesterreich nnd schloß sich mehr nnd mehr den neuen Ideen an. Eine Entzündung der Geister sür Givberti'ö Politik, durch die hinreißende Macht seiner Schriften angeregt, verbreitete sich dnrch die Nation nnd gewann ihre edelsten Kräfte. Sogar die Jesuiten zeigten sich, angezogen dnrch den Salz von der weltlichen Herrschaft der Kirche, Gioberti geneigt, eine Frcnndschaft, die dieser jedoch dnrch sein Werk über den „modernen Jesuiten" (18/i7) energisch zurückwies, und der dieser berühmten Schrift nnd der späteren Ereignisse wegen der bitterste Haß seitens des mächtigen Ordens folgte.
Doch der Gang jener friedlichen, von so vielen Hoffnnngen getragenen Bewegung sollte durch furchtbare Katastrophen in wilde Kämpfe gestürzt, dnrch schreckliche Unfälle unterbrochen werden. Das grausame Willlürregiment der neapolitanischen Negiernng rief die Aufstände von Palermo und Neapel hervor, welche nun die regelmäßigeren Fortschritte in Mittel- und Oberitalien fast zu hastig vorwärts drängten. In diese schon sehr gespannte Lage schlug der gewaltige Anstoß der Februarrevolution, der die Erhebung der Lombardei nnd den Krieg zwischen Picmont und Oesterreich zur unmittelbaren Folge hatte.