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Politische Stimmung in deutschen Städten.
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»ms der 76 Bürger eingeladen wurden, welche die zur nächsten gesetzgebenden Versammlung bestimmteu 4!i Glieder aus löblicher Bürgerschaft wählen sollte. Ueber diese so leichte und glückliche Lösuug der wirren Verfassungsfrage herrschte große Freude im Lager der sogenannten Reform - Frennde, jener reactionaircn Partei, welche durch ihre Agitationen gegen die aus den Jahren der Revolution hcrstammendcn Gesetze nicht wenig zum Erlaß deö BuudeSbeschlusses beigetragen haben dürfte, und die Postzeituug versicherte auf das Bestimmteste, daß über jene NestanrationSmaßregel keine Mißstimmung in der Bürgerschaft zu bemerken sei, und daß man sich allgemein sreue über daS Ende der mehrjährigen leidigen Verfassnugswirren uud über die Rückkehr der öffentlichen Zustände zu dem be­währten Alten. Auffallen mußte indeß, daß die Reformpartei nicht im Stande war, den 18.Oct. als den Jahrestag der Verleihung der Versassung von 1816 wieder zu einem öffentlichen nnd allgemeinen Festtage, was er vor 18i8 gewesen war, zu stempeln; der letzte Zweifel über die Stimmung der Bürgerschaft mußte aber schwinden, als am SU. October das Ergebniß der an den beiden vorhergehenden Tagen stattgehabten ttrwahlen bekannt wnrde. Seit vielen Jahren war nicht eine so große Masse von Stimmzetteln eingereicht worden als dieses Mal; es hatten im Ganzen 2348 Bürger in den 3 Abtheilungen ihr Wahlrecht ausgeübt, 509 mehr als im vorhergehenden Jahre, nnd das Ergebniß war ein entschiedener Sieg der Liberalen, die mit 1-1 Stimmen (43 gegen 32) in der Mehrheit geblieben waren. Aller­dings war diese Mehrheit au sich nicht übermäßig bedeutend, allein sie reichte, Dauk dem indirccten Wahlvcrfahren, vollkommen hin, sämmtlichen Kandidaten der Liberalen zur gesetzgebenden Versammlung die versassungSmäßige absolute Stimmenmehrheit zu sicher». Wahrscheinlich ans Furcht vor einem solchen End­resultat übergab am 22. October eine Anzahl Wahlmänuer der 3. Abtheilung, in welcher die Neformfrenude gesiegt hatten, dem äller» regierenden Bürgermeister einen Protest gegen die Willigkeit der Wahlen der 1. Abtheilung, iu welcher V» der gewählte» Wahlmänner ansGothanern" bestand, wegen augeblich dabei vor­gekommener Unrichtigkeiten. Siebzig Bürger, behauptete man, hätten unberechtigter Weise iu der -I. Abtheilung gestimmt, und nur dadurch sei jenes den Gothanern günstige Resultat erzielt worden; auch Deutschkalholikcu hätten mit gestimmt, vbwol sie als Mitglieder einer nur geduldeten Konfession dazu nicht befugt gewesen seien, u. dgl. »i. Der Senat schenkte diesen Angaben geneigtes Gehör uud schrieb für die 1. Abtheilung eine Neuwahl auf den 1. nnd 2. November aus, obwohl sich herausstellte, daß diese so stark betonten Unrichtigkeiten lediglich darin bestauben, daß ei» Lithograph nnd ein Buchdrucker iu gutem Glaube» i» der -I. Abtheilung gestimmt hatten, während sie als prädicirte ,,Handelsleute" iu der 2. Abtheilung hätten stimmen solle». Der Zudraug zu den Wahlurnen war am 1. »ud 2. November noch viel größer als bei der ersten Wahl, eS wnrden 130 Stimme» mehr abgegeben als am 18. nnd 19. October, »»d die Conser-