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Briefe vom ungarischen Reichstage. V.
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der Stände sprach; die Argumentation war dieselbe, wie sie von dieser Seite auch in der Ständetafel geführt worden, wie überhaupt die Reden der Regierungspartei in dieser Angelegenheit Hannoniren, ja gegenseitige Plagiate bilden. Von den Op­positionellen sprechen zuerst der junge Gras Daniel Vay, der in seiner wahrhaft musterhaften Rede einen Abriß der Geschichte des constitutionellen Wesens in Un-> garn gab und die historische Bedeutung der verschiedenen Staatselemente hervor­hebend, das Verfassnngsgefährliche der jetzigen Negierung darthat, den einzelnen Punkten nach, wie sie in der Adresse aufgezählt sind. Graf Joseph Piilfy war die Geißel der Conservativen. Dieser Großmeister in jenen geistreichen satyrischen Persönlichkeiten, wie wir sie bei den Engländern zu finden Pflegen, hechelte die Negieruug in seiner scharfen Manier durch. PiUfy's Satyre ist wie eine Kar­tätsche, sie fällt uuter die Masse und trifft daher immer. Als er unter andern von den Administratoren sprach, welche die Conservativen vertheidigen und die Beschwerde als eine nichtconstatirte in die Adresse nicht aufnehmen wollen, rief er aus:Ihr wollt constatirte Beschwerden, seht, dort sitzen sie!" Er deutete hierbei auf die Obergespanne, denen die Regierung eigeumächtig Administratoren snbsti- tuirte.Fraget sie, ob sie, wie Ihr behauptet, selbst ihre Demission eingereicht, ich fordere sie aus, sich zu rechtfertigen." Graf Abraham Vay, Obergespann des Marmaro'schcr Comitats, folgte dieser Aufforderung: Er wolle der Versamm­lung seine eigene Geschichte erzählen, möge diese dann selbst beurtheilen, ob man gesetzmäßig gegen ihn verfahren habe: Knrz nach Beendigung des letzten Reichs­tages habe er ein Schreiben der Negierung erhalten, worin ihm zu wissen gegeben wird, daß mau beschlossen habe, ein neues System der Verwaltung einzuführen; wenn er daher seiner Stelle fortan vorstehen wolle, müsse er seinen Wirkungskreis, wie er ihm jetzt vorgeschrieben werde, vollkommen ausfüllen. Es wird ihm zur Pflicht gemacht, nicht nur allen Generalcongregationen, sondern auch den kleinern zn prästdiren (letzteres war bisher Sache der Vicegespanne). Er habe ferner alle Erbschaften der Reihe nach zu besuchen, die Protocolle nnd Rechnungen sogar der Dorfnotare zu coutroliren, die Klagen des Volks gegen die Comitatsbeamten an­zuhören und sofort zu schlichten (vollkommene Vernichtung der Cvmitatsautonomie) u. s. w. Auch habe er sich biuuen acht Tagen hierüber zu erklären. Einem Ver­brecher, bemerkt Redner, gönnt man einen größern Zeitraum, sich zu vertheidigen, als uns, die wir die ersten Aemter des Reiches bekleiden. Zwar bedürfte er nur einer einzigen Stunde zu seinem Entschlüsse. Es war ihm klar, daß'diese Forderun­gen constitutionswidrig seieu. Auch stellte er der Regierung vor, daß, wenn sie schon dieses neue System einzuführen gedenke, sie sich an den Reichstag wenden möge^ und falls dieses ihr nicht genehm, wenigstens einen Palatinalconcours ausschreiben, damit diese Maßregel von den Räthen des Landes erwogen werde. Die Antwort war ein Adminstrator, den man ihm schickte. Redner kann es nicht verschweigen, daß dieses System die Selbständigkeit der Comitatsbehörden untergrabe nnd über-