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ihrem Fürsten gegenüber als rechtlos betrachtet werden. Und doch ist das vielleicht zn viel gesagt. Denn die Beschwerde an den deutschen Bund in jener Sache ging nicht von den legitimen Stünden aus, au denen die Rechtsverletzung verübt war: diese bestanden factisch nicht mehr. Der Bundestag ging von der Ansicht ans: wo kein Kläger, ist teiu Richter, und wo der gekränkte Theil nicht mehr existirt, kann er auch nicht klagen.
In Kurhtsscn bestehen gegenwärtig die Stände noch, ja es ist noch nicht einmal die bestimmte Absicht des Regenten ausgesprochen, in ihrem Bcstcheu irgeud eine Veränderung eintreten zn lassen. Es wäre möglich, daß diese Stande vor ihrer zu erwartenden Auslösung beim Bunde klagbar würden. Bei dieser Sachlage ist es von Wichtigkeit, sich uubesaugeu über diese Fragen Rechenschaft zu geben: !) Besteht die gegenwärtige Landesverfassung zu Recht? 2) Hat das Hefsische Volk, hat der deutsche Bund, hat die gcsammte Nation ein wirkliches Interesse daran, für dieses Rechtöverhältniß einzustehen? —
Zur Beantwortung der ersten Frage ist vor allem nöthig, zn zeigen, wie die Verfassung entstand. Es kommt uns hier natürlich nur ans die wesentlichen Punkte au.
Die Restauration war in keinem Theile von Deutschland thätiger und eindringlicher gewesen, als in Knrhessen; denn hier, im Sitz des französischen Königreiches Westvhalcn mußte sich die nationale Antipathie des Volkes mit der prinzipiellen der alten Legitimität vereinigen. Manche vernünftige Einrichtung ging in dieser Restauration zu Grnudc. Nirgend aber war auch die Desorganisation aller öffentlichen Verhältnisse größer, nirgend des Bedürfniß fühlbarer, durch Wechselwirkung der Regierung und des Volkes, das völlig ausgelöste StaatSwescn von Neuem zu organisiren. Was also in allen deutschen Staaten ein dnrch die Bundesacte garantirtcr Rechtsanspruch war —die Einführung einer repräsentativen Verfassung,
— war für Hessen eine unbeweisbare Nothwendigkeit. So wurde denn anch in der That den 1. März I8l5 der erste Landtag einberufen, der sich aber weder über die Verfassuugsfrage, uoch über die Fiuanzangelegenheiten mit der Regierung einigen konnte. Er wurde deshalb zuerst prorogirt, endlich — den 10. März l8lö
— ohne Abschied geschlossen. Dies war, da er l4 Jahre hindurch nicht wieder einberufen wurde, vou Seiten der Regierung eine Rechtsverletzung, die nur allenfalls durch die Noth der Umstände entschuldigt werden, die aber dem Volk von seinem Recht der ständischen Vertretung uud der Mitwirkung an der Finauzver- waltung nichts entziehen konute. Auch hat der Landtag nicht unterlassen, sich in einem besondern Promemoria vom ! N. Mai l8lli seine Rechte ausdrücklich vorzu-- behalte» und den ständischen Ausschuß mit einer Jnstrnction über die Verwendung der gcuehmigteu Landesschuldentilgungssteuer zu versehen.
Es hat im Laufe der folgenden Jahre nicht an Versuchen gefehlt, auf rechtlichem Wege die Wiederherstellung des verletzten Nechtöznstcmdes zu veranlassen.
<Lrcnzl>»ie„." IV. 1547. SK