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Allem, was den Leuten nicht zn Kopf will, und als z. B. von Floreucourt gegen Rouge auftrat, ließen sich Wcimarische Pastoren daraus köpfen, daß er ein geheimer Jesuit sei.
Wenn wir uns bei der Darstellung der kirchlichen Zustände Weimars an Rohr's Persönlichkeit halten kouuten, so läßt sich die des socialen und politischen Lebens an eine andere, den alten H enß anknüpfen. Henß ist ans dem Rheinland gebürtig, aber ein vollkommener Wcimarauer geworden. Als Buchbindcrgesell hat er weite Reisen nach der Schweiz, nach Ungarn nnd Polen gemacht, immer mit klngcm Sinne beobachtet, an seiner Selbst bilduu^ gearbeitet, nnd sich zuletzt in Weimar häuslich niedergelassen. Er ist Autodidaet im vollsten Sinne des Wortes und besitzt alle Vorzüge und Schattenseiten eines solchen. Bestimmt und fertig in seinen Meinnugeu, sprechselig, hartnäckig uud dabei gewandt nnd geistesgegenwärtig ist er stets bereit, sein Votum über alle möglichen Dinge abzugeben, nnd wenn er dabei uie zu erwähnen unterläßt, daß er als einfacher, schlichter Bürger, als Ungelehrtcr spreche, so will er damit eben nur andeuten, daß man nicht gelehrt zu sein brauche, um sich über alle Lebensfragen ein klares nnd sicheres Urtheil zu bilden. Ein scharfer juristischer Verstand, der ihm keme Ruhe läßt, wo es eine Rechtsfrage gilt, ein Geschäftigkcitstrieb, der ihn immer in Bewegung setzt und jede Gelegenheit, eine Sache zu ordnen, zn leiten nnd zn beaufsichtigen, ergreifen läßt, wobei freilich auch die Befriedigung der Eitelkeit etwas in's Spiel kommt sind hervorstechende Züge seines Wesens. Wclin daö gebleichte Haar den Greis verräth, so ist dieser in der Beweglichkeit der Gestalt, in der nngeschwächtcn Erregbarkeit und Lebendigkeit dcö Geistes nicht zn erkennen, und He^iß selbst legt auf diese erhaltene Jugendlichkeit Gewicht, ja man sagt, daß er zuweilen damit kokettirt. — Dem größern Publikum wurde Heuß zuerst durch einen Streit mit dem Weimarischeu Stadtrath bekannt. Bei den Bürgern seitdem populär geworden, wurde er zum Laudtagsabgeordueteu erwählt uud brachte zn einer Zeit der politischen Indifferenz im Lande, der schläfrigen Gemüthlichkeit und der zarten Rücksichten im Landtage selbst, durch Schärfe uud Freimüthigkeit einiges Leben in die Verhandlungen des letzter». Eiue eigentlich starke Sprache führt aber He»ß weder Hier »och sonst, da er die Grenze, an der er Erbitterung erregen könnte, mir Mit Vorsicht zn streifen sich selbst als Vorzng anrechnet. Lange vor der dcntsch- katholischen Bewegung hatte er sich schon öffentlich für eiue Trennung der de»t- scheu Katholiken von Rom ansgesvrochcn, uud war natürlich, sobald die Bewegung begann, der Mittelpunkt der dentschkatholischen Gemeinde in Weimar, die naä^ °ben zu vertreten sciiier Eigentlmmlichkcit außerordentlich zusagte. In religiösen wie in politischen Dingen ist Henß ein verzweifelter Nationalist, der überall auf das Praktische nnd Verständige anSgeht, und der ein eigentlicher Katholik wohl uie gewesen ist. Für die dentschkatholische Sache hat er mit den Anhängern des Bischofs von Fulda eine Lanze gebrochen, und man kann seiner Kampsweisc die
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