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Der Einfluß der Conduitenlisten auf die österreichische Bureaukratie.
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ihr Inhalt nicht wenigstens znr Wahrscheinlichkeit gesteigert wird, hat sie nicht die geringste Folge. Was rechtfertigt das Gericht den Inhalt der Angabe, der völlig umnotivirten Angabe in der Conduitenliste?

Die Last des Beweises, welche ans dem liegt, der behauptet, ist der Schutz Jedermanns gegen die Znmnthung irgend eines Andern. Dieses Schutzes geht der Beamte verlustig.

Dennoch ist in den mchrsten Fällen nicht sehr schwer, den Beweis einer An­schuldigung zu führen, die Gründe eines Verdachtes anzugeben. Eiue pflichtwi­drige oder verdächtige Benehmungsweise muß wahrnehmbar gewesen sein. Die Pflichtverletzung muß, wenn nicht in sträflichen, doch immer in ordnungswidrigen Handlungen bestanden haben. Einem Verdacht müssen Thatsachen vorhergegangen sein, welche geeignet waren das Zutrauen zwischen Dienstherrn nnd Diener zu erschüttern. Thatsachen ereignen sich im Raum und in der Zeit. Die Erinnerung an sie kann mit Leichtigkeit festgehalten werden.

Ungleich schwerer, unter Umständen sogar unmöglich ist die Widerlegung ei­ner Anschuldigung, welche ohne Begründung vorgebracht wurde. Falls meine Ta­lente mittelmäßig, meine Kenntnisse oberflächlich, meine Arbeiten unzuverlässig ge­nannt werden, müssen sehr günstige Umstände eintreten, wenn ich im Stande sein soll den Beweis zu führen, daß ich vorzüglich, gründlich, verläßlich bin. In ge­gebenen Fällen müßte ich zu neuen Prüfungen, zn Probearbciten zugelassen wer­den; meine Obern und ich müßten außerordentlichen Controlen unterworfen wer­den. Aber derlei Weitläufigkeiten können nicht statthaben. Viele Leute bewei­sen, daß sie bestohlen wurden. Wenn sie im umgekehrten Fall beweisen sollten, daß sie nicht gestohlen haben, wie wollten sie das anfangen? Darum hielten seit alters- her die Gerichte den Anzeiger zum Bewei.se seiner Anschnldignng an, nicht aber den Beschuldigten zum Beweise seiner Schuldlosigkeit.

Die Couduitenliste gibt dem Vorgesetzten Gelegenheit, den ihm untergebenen Beamten auf zweifache Weise zu verletzen. Einmal, indem er einen Nebenmann über Gebühr hervorhebt. Auf andre Art, indem er den Beamten nachtheilig oder ans eine Weise schildert, welche ihn, entgegen andern Schilderungen, in Schatten stellt. Die letzte Benachtheiliguug tritt häufig unabhängig von dem Willen des Vorgesetzten ein. Er weiß nicht so eindringlich zu empfehlen, als andere Amts- Vorsteher es in der Macht haben.

Es wird vorausgesetzt, daß der Amtsvorsteher immer wahr sei, daß er in Allem richtig urtheile, daß die Thatsachen, auf welche er seine Schlüsse gründet, immer objectiv richtig seien. Es ist aber eiue mißliche Sache, von der Ehrlichkeit, der Unparteilichkeit der Beurtheilung eines Andern abzuhängen. Jedenfalls ist mit dieser Abhängigkeit das Recht verloren, vor der Verletzung eines Andern sicher zu sein. Davon völlig abgesehen, gibt es keine zwei Menschen, die eine Anzahl Leute leben und weben sehen, ohne sich von ihnen abweichende Begriffe zn machen.