geworden, nur uneigennütziger und wirklich jeder Forderung entsagend. Nicht blos mit Menschen ist es mir aber so, auch an das Schicksal mache ich keine Forderung. Ich würde Ungemach wie ein Anderer fühlen, das läßt sich aus der menschlichen Natur nicht ausrotten. Entbehrung bleibt Entbehrung uud Schmerz bleibt Schmerz. Aber den Frieden meiner Seele würden sie mir nicht nehmen, das würde der Gedanke verhindern, daß solche Ereignisse und Zustände natürliche Begleiter des menschlichen Lebens sind, und daß eS uicht geziemend wäre, in einem langen Leben nicht eiuinal die Kraft gewonnen zu haben, seine höhere uud bessere Natur gegen sie aufrecht erhalten zu können."
Das ist der Friede der Resignation, die Freiheit des Gemüths von irdischen Dingen. Frei ist, wer nichts bedarf; frei, wer sein Herz an das Endliche nicht hängt. „Das allein ist der Friede, den die Welt nicht gibt; ein unübertrefflicher Ausdruck. Was diesem Frieden angehört, ist von der Welt, dem äußern Gluck uud dem äußern Genuß geschieden, es stammt von einer unsichtbaren Macht her, allein die Gesinnung muß im Gemüthe vorhanden sein, daß man sein ganzes inneres Wesen von der Welt trennt, daß man uicht auf äußeres Glück Ausprnch macht, daß man nur die hohe Seelenruhe sucht, die auf dem Leben in Demuth und innerem Gehorsam wie in einer klippenlosen stillen Wasserfläche ihre Sicherheit findet. Die bloße Ausübung der Pflicht reicht dazu uicht hin, die Unterordnung des selbstischen Daseins unter das Gesetz und noch weit mehr unter das Anerkenntniß der höchsten alles beherrschenden und alles durchdringenden Liebe muß so vorwaltend sein, daß das ganze Wesen darin aufgelöst ist. Nnr bei dieser Gesinnung kann man den von Jesus dargebotenen Frieden sich aneignen. Denn es wäre eine ganz irrige Auslegung der schonen biblischen Stelle, wenn man glauben könnte, der himmlische Friede senkte sich so von selbst und ohne alles Zuthun auf deu Meuscheu herab. Wohl zwar senkt er sich also uieder, er kann nicht durch Werke verdient, nicht gleichsam wie Erdengüter durch eigenes Thun erworben werden. Er ist eine freie, himmlische, immer nur der Gnade entströmende Gabe. Allein der Mensch kann sie nicht erfassen ohne jene Gesinnung, er kann des Himmlischeu uicht theilhaftig werden, so lange er irdisches Glück sucht. Besitzt er aber diese Gesinnung, so ist er wieder jenes Friedens gewiß, denn es ist recht eigentlich von den himmlischen Gaben ein wahres Wort, daß denen gegeben wnd, die da haben. Das Irdische mnß schon, so viel es die schwache Kraft vermag , das Himmlische angezogen haben, wenn eö ihm wahrhaft zn Theil werden soll. Ans diese Weise hängt der innere Friede immer vom Menschen selbst ab, der Mensch braucht zu ftinein Glücke im wabren Verstände nichts als ihn, uud er braucht, um thu zu besitzen, nichts als sich."
Eine solche Freiheit ist nicht Theilnahmlosigkeit, nicht Erstorbenheit der Gefühle; der wahrhaft gebildete Mensch wird den Gennß so wenig verschmähen als die Thätigkeit, aber er wird nicht ihr Sklave sein. „Sie wundern sich, daß eine
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