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Hunderten gewohnt gewesen, daß man ohne sie zu fragen über ihr Leben, ihre Güter, ihre Rechte aus dem Cabinct decrctirte", nimmer hätte ein französischer Marinelieutenant in deutschen Landen seinen Königsthron aufgeschlagen. Ware die absolute Fürstengewalt mit ihren Ca- binetten allein im Stande, eine Nation, wie die deutsche, gegen fremden Uebermuth in ihren Ehren zu wahren, so hätte sich's zeigen müssen zu einer Zeit, wo das System des Absolutismus und der unbedingt gehorchenden, nur für Weib und Kinder und Hab' und Gut sorgenden Unterthanen in seiner Blüthe stand. Die Geschichte hat aber hierüber in einer Weise entschieden, die auch dem blödesten Auge klar sein müßte, wenn es sich nicht geflissentlich dem hellen Lichte der Wahrheit verschließt, und wenn die Verblendung der Gegenwart nicht der unwidersprechlichcn Thatsachen der Vergangenheit das kindische Rai- sonnement entgegensetzte; „daß dies aber ganz andere Zeiten und Verhältnisse gewesen." Ja, Gottlob, die „Zeiten" haben sich geändert, aber die „Verhältnisse" sind heute noch dieselben, und wenn sie sich 1816 anders gestalten wie 18W, so ist eö wahrlich nicht das Verdienst Derjenigen, welche die Zeiteil von I8W gern wieder herbeiführen möchten. Diese Wahrheit kann man bei Schlosser auf allen Seiten lesen.
„Napoleon", sagt Schlosser, vom Jahre der Schlacht von Auster- litz redend, „hatte die Fürsten und ihre Diener elend gefunden und begann daher auch die Völker zu verachten. Von diesem Augenblicke an kam Uebermuth und Verachtung der öffentlichen Meinung über den französischen Kaiser." Das war nach Schlosser die schlimmste aller Folgen der Schlacht von Austerlitz für die Menschheit.
Niemand wird Schlosser nachsagen können, daß er zu irgend einer Zeit ein „Verehrer" Napoleons gewesen sei. Er ist es auch in diesem Bande nicht geworden. Aber dennoch ist die eherne Gestalt dieses Mannes dem Historiker inmitten all' der „Feigheit", „Elendigkeit" und „Gemeinheit" der Zwerge, welche diesem Giganten die Spitze bieten zu können meinten, inmitten all' der Jämmerlichkeit deutscher Zustände, welche der Geschichtschreiber in diesem Abschnitte seines Werks zu schildern mit Befriedigung verweilen mag.
Schon aus der genauen Betrachtung Napoleon's gegenüber dem Direetorium und Tallcyrand im Jahre 1797 geht ihm hervor: „Wie groß er und wie erbärmlich alles Andere war, was ihm gegenüberstand oder mit ihm in Berührung kam", und wie hoch er auch über der „Fantafterei der pariser Demokratie" stand (S. 38), den nüchternen Historiker entzückt die schneidende aber haarscharf treffende Anficht