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ich eine Wohnung nach den Vorschriften der Mutter gefunden haben würde. Julie bestellte ihr Gepäck nach der „Laute." Einige Kleinigkeiten, die zu Mißverständnissen oder Nachlässigkeiten Anlaß geben konnten, nahmen wir gleich mit. Leider war die große Schachtel mit dem neuen Hute dabei, ein Ding, gar nicht schwer, weshalb sein Umfang desto unverschämter erscheinen mußte. Ich trug aber nicht blos die Schachtel, sondern auch einen Reisemantel, ein Paar Filzschuhe — die Tharanter Tante hatte auf ihrer Mitnahme bestanden — einen Regenschirm, zwei Strickbeutel, eine Rolle von unbenanntem Inhalt, weshalb ich frecher Weise den Nachtanzug der Dame darin vermuthete, ein Kästchen, worin eine Vase — trotz des aufgemalten Glases wollte Julie der Sorgfalt der Hausknechte nicht trauen — einen Reisesack und ein Etui mit Kämmen, Bürsten und Pomade. Den Gedanken, daß die ganze Leichtigkeit zusammengenommen, schwer und der Weg, trotz seiner Kürze, lang sei, verwarf ich als nichtswürdig. Nur daß ich ein Bischen lächerlich aussah und um keinen Preis einem Scmino- lenkrieger hätte begegnen mögen, verbarg ich mir nicht. Die Schachtel, wenn ich sie vor die Brust nahm, bedeckte übrigens zu meinem Troste zugleich mein Gesicht.
So brachte ich das Fräulein in die „Laute". Drei Häuser vorher sagte sie mir, nun würd' ich bald erlöst sein. Ich lächelte, als habe meine Beladung auch gar nichts zu bedeuten.
Gott bewahre jeden liebesbedürftigen Menschen vor solcher Erlösung! Wie ein Sturmstofi brach aus der ,,Laute" ein schlanker Gesell in sehr hübscher Uniform, erfaßte Juliens Hände und wartete kaum darauf, daß er das Mädchen in die Hausflur gezogen hatte, um ihr mit Küssen und Umarmungen schier lebensgefährlich zu werden.
Ich setzte dabei langsam ab, was ich getragen, und legte endlich auch meine Hoffnung auf Julien hinzu. Nie sah ein junger Semt- nole niedergeschlagener und muthloser aus als ich in jenem Augenblicke.
„Das ist Herr Adalbert!" sagte Julie endlich zudem unbändigen Offizier, der gar nichts von mir und dem Gepäck wissen zu wollen schien, vermuthlich weil er ahnte, er werde letzteres die Treppe hinauf befördern müssen. „Student hier in Leipzig und mein sehr lieber Reisegefährte von Dresden. Ich verdanke ihm eine ganze Reihe der verbindlichsten Dienste, sogar — "
Ich bitte uuterthänig," unterbrach ich das Fräulein mit einer entschieden zurückweisenden Armbewegung gegen die Lebenörettung, die ich jm Anzüge bemerkte. Hätt' ich gewußt, für wen ich die Kastanie aus