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Hause erlebte und die Beifallsbezeugungen stets den gleichen Wärmegrad hatten. Ein Theil dieses ungewöhnlichen Erfolges ist dem Stosse oder vielmehr der Hauptperson des Stückes zuzuschreiben. Die populärste Gestalt der deutschen Literatur, der Lieblingsdichter der Nation, für den alle Jünglingsherzen feurig klopften, in dessen Dichtungen Männer und Greise die heiligsten Schwärmereien ihrer Jugend wieder auftrauchcn sehen, Friedrich Schiller in seiner eignen Persönlichkeit, in seinm eignen Lebenskämpfen auf der Bühne zu finden, hat einen so gewaltigen Reiz, daß wohl Niemand ausbleibt, der je für die Glocke, für die Bürgschaft, für Posa, Moor und Wallenstein geschwärmt hat. Und diesen Liebling aller deutschen Herzen aus dem Kampf gegen eine tyrannische Macht, aus Lebensgefahr und von der drohenden Vernichtung seiner ganzen Zukunft gerettet zu sehen, ist an und für sich ein so dankbarer Scoss, daß er selbst mit weniger Tüchtigkeit der dramatischen Behandlung der Sympathien des Theaterpublicums gewiß sein könnte. Laube hat hier den glücklichsten Griff unter allen seinen dramatischen Arbeiten gethan, und das Bewußtsein, daß er auf einem sichern Boden steht, hat ihn bei der Ausarbeitung mehr Schwung, mehr Freiheit und mehr Natürlichkeit gegeben Die „Karlsschüler" sind ein höchst erfreulicher Wendepunkt in der Entwicklung dieses Bühnendichters. Die Laube'schen Dramen hatten bisher den gemeinsamen Fehler, daß sie an Ueberkünstelung litten. In allen diesen Stücken wird der unparteiische und leidenschaftlose Beobachter ein reiches und tüchtiges Büynentalent anerkennen; aber er wird zugleich die Bemerkung machen, daß der Dichter zu sich selbst kein rechtes Vertrauen hat und statt sich in sich selbst zu versenken und von innen heraus zu schassen, nach äußerlichen Hülfsmitteln greift und durch raschen Scenenwechsel, durch coupirte Dialoge, durch vielfach verschlungene Knoten und Auflösungen dem Interesse zu Hülfe kommen zu müssen glaubt, Wer die innere Mechanik eines Stückes praktisch kennt, wird bemerken, daß Laube zu allen diesen Hülfsmitteln durch einen einzigen Dämon getrieben wird, durch die Furcht: langweilig zu werden. Deswegen gönnt er sich nicht Zeit, seine Charaktere tiefer zu motiviren, die Situationen innerlich vorzubereiten und die poetischen Momente, die sich ergeben, fest zu halten. Jener Dämon jagt ihn hastig von Scene zu Scene.^ Das breite Pathos der Schiller'schen Nachahmer, das zähe und langsame Getrippel der bürgerlichen Jammer- und Nothstücke Jffland'scher Schule schweben ihm drohend vor, und darum stürzt er sich oft in Extreme. Sein schlestschcs Naturell ist erregt, productiv und poetisch genug, um ihm stets neue Stoffe zuzuführen, in welchen meist ein frisch pulstrendes Lebenselement liegt; aber die schlesische Leichtblütigkeit nimmt ihm andererseits die Ruhe und den Nachdruck, um die poetischen Elemente seiner Stosse vollständig herauszumeißeln und er hilft sich mit theatralischer Drappirung und componirten Effecten. Offenbar hat ihn der große Succeß, den die Scribe'schen Stücke auf der deutsche» Bühne finden, auf diesen Weg geführt; das Piquante der Situationen, das Interessante der Scenerie wurden ihm zur Hauptaufgabe, während die psychologische Wahrheit, die kernige Seelenhaftig- keit nur in zerstreuten Lichtpunkten den deutschen Dichivr verrathen. Vom Standpunkt der heutigen Bühnenzustände und der herrschenden