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Tagebuch.
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vola (primiräoimk !l««vlnti,) zeigte durch alle vier Acte eine bewunderns- werthe Ausdauer und Consequenz im Detoniren; Signora Gerli (<?omui,-im»rm) sang richtig, aber mit saden-dünner Stimme und kalt wie Eis; Signora Profondo (s^coiitl.^ Ocum-r) übertraf die i»»K»IuUl sowohl im Detoniren, als im Schreien ganz bedeutend, und siegte in allen Ensembles. Der mim« l'Liiorv il8«»mtc>z Signor Rui­nier- Dei hat für einen öffentlichen Ausrufer eine sehr respectable Stimme, auch detonirte er nächst der großen Trommel am wenigsten. Signor Pons, I!ir«8» moi'omw, schreit in den höhern Chorden trotz der Signora Prosondo, auch nimmt er es im Detoniren mit ihr auf; in tiefern Tönen hat feine Stimme einen schwachen, aber sehr romantischen Nohrdommel- klang, so etwa, als ob man auf einer leeren Flasche pfeift. Signor Pig- noli, i>rimo Ij-niw»« l»«5«I»tt>, ist ein sehr hübscher Italiener, mit recht angenehmer Stimme, wenn er nicht schreit, detonirt menschlich und ist im Ganzen ein talentvoller Anfänger. Die Elaque war bei dieser ersten Vorstellung zu Anfang n>cht brav, nach einigen derben, zischenden Zu­rechtweisungen aber verlor sie gegen das Ende der Oper allen Muth, wurde immer kleinlauter und verstummte endlich ganz, so daß der Vor­hang am Schluß unter tiefem, ernsten Schweigen siel, und man sagen konnte, die Oper habe ein anstandiges, sehr discretes Fiasco gemacht. Schlimmer waltete das Schicksal in der I^uciil«. lli I^innmvrmour, in welcher Oper die andre I^riin.uioiuur -rsKvIuUr Signora Grossoni auftrat. Wenn diese würdige, angejahrte Dame mit ihrer kleinen, total struppir- ten Stimme, aber großartigen Distonation etwas Anderes von den guten Berlinern erwartet hat, als ausgezischt zu werden, so hat sie die Lang­muth unseres schüchternen Publicums überschätzt. Die Oper Lucia machte entschiedenes brillantes Fiasco, mit allem was dazu gehört; sogar die Claqucure sollen zuletzt aus Angst mitgepocht haben. Die Direction hat vom Hrn. Grafen Gritti eine andere Truppe verlangt. Kous verruns!

In unfern musikalischen Kreisen erregt jetzt eine Broschüre:Apho­rismen über Rellstab's Kunstkritik von L. Ernst Kossak", viel Interesse. Herr Rellstab war vor etwa einem Vierteljahrhundert Preuß. Artillerie- Lieutenant, wurde aber wegen Kurzsichtigkeit verabschiedet, und warf sich dann auf die Literatur. Seine Befähigung war maßig, aber sein Selbst­vertrauen bedeutend, und wie die meisten mittelmäßigen Köpfe hatte Hr. Rellstab viel Glück: er wurde Mitarbeiter und Feuilletonist bei der Voß'schen Zeitung. Hier begann er sich im Uebersetzen aus dem Fran­zösischen zu üben, und mit dilettantischem Wissen über Musik zu urthei­len. Da es nun aber Herrn R. an akademischer und philosophisch-ästhe­tischer Bildung fehlt, er auch nie ernster musikalischer «Studien sich be­flissen hat, so urtheilt er nach den Eindrücken seines subjectivcn'GefühlS. Außerdem aber schwort er wie alle gedankenscheue Recensenten auf jede Autorität, und lehnt sich mit der ganzen Wucht colossaler Anmaßung gegen alles Neue auf, das er nicht versteht. Außerdem hat der kluge Stratege außer Dienst immer ein Paar foufslirende Musiker zur Hand, deren Werke und Thaten er auch, für gefälliges Einflüstern, tüchtig lobt.

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