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liest nur die sehr magere Anzeige in der liosolntio eivium, daß sie „Ja" oder „Nein" gesagt, „zugestimmt" oder „nicht zugestimmt" haben; das Uebrige bleibt Tradition. Haben die Collegialen denn aber nichts weiter gesprochen als „Ja" oder „Nein", haben sie dafür ihre Gründe nicht und wie? motivirt, gibt es unter ihnen keine Manner, die sich besonders erheben, die sich als wahre Kammerrcpräsentanten hinstellen, lassen sich hier keine „Ständcverhandlungen" publiciren, oder scheuen diese der Form nach das Licht, haben sie nicht die gehörige Fassung, um mit Anstand nachgeschrieben und veröffentlicht werden zu können? Du lieber Himmel, wie geheimnisivoll, wie altmodisch geht es in unserer Republik her! Die Antrage, das heißt die gedruckten/das heißt der Kopf, nehmen sich doch gar fo sonderbar und vereinsamt aus gegen den fehlenden Rumpf der Debatte und Discussion und Motivirung. Mich wundert, daß der Senat die Bürgerschaft nicht schon aufgefordert hat, B zu sagen, da er A gesagt. So ist ja Alles halb und nicht heil.
Besser fortgeschritten, das heißt factisch fortgeschritten, sind wir in der letzten Zeit mit der — Censur. Wir haben doch nun schon drei Censoren, und zwei Censoren haben Jeder nur vier Blätter zu ccnsiren, der Eine die vier politischen Zeitungen, der Andere die vier gestempelten Blätter, welche Vaterstädtisches besprechen dürfen und daneben dürfen wir, wie ein Gesetz von 1833 behauptet, alle eigenen Angelegenheiten frei und offen besprechen. Wie viel Censoren hat Leipzig wohl? Leipzig mit seinem Literatur-Blättcrmarkt? Ob das Gesetz wohl etwas von dem Herrn Gläser, dem Censor der vier gestempelten Blätter weiß, die, wohl zu beachten, dennoch keine bezahlten Inserate aufnehmen dür- fen, weil dies die allzudickbäuchigen Privilegien — Monopole beeinträchtigen würde. Bei Leibe keine Concurrenz, keine Wege und Mittel, daß den Reichern gegenüber, Andere auch etwas erwerben. Hauptcensor übrigens ist der Oi. Hoffmann, ein großer Büchertenner und Bibliotheks- wissenschaftler und wenn dieser gute Mann einmal etwas zu censiren bekommt, was über die Stadtklatsche und Journalistenstänkerci hinausgeht, so erklart er ganz offenherzig auf dem Cenfurbogen, „er halte sich nicht befugt, das Imprimatur zu ertheilen". Ein Censor und nicht befugt? Aber warum ist der Mann denn eigentlich Censor? Gibt es für ihn denn kein Reglement, keine Norm, wonach er befugt ist? Ach nein! Ach ja! Aber der Mann hat von allen Seiten so viele Borwürfe zu erleiden, man schämt sich nicht, ihn zu citiren, zur Rede zu stellen, warum er dies und das, versteht sich nach allem Recht, durchgelassen! Diefe Cabinets-Censur-Justiz heißt hier „freie Presse über städtische Angelegenheiten."
Mit den Lobhudeleien des Thalia-Theaters, unter Direktion des künftigen Stadt-Theater-Directors Hrn. Maurice, geht es hier schauderhaft her. Da gibt es nichts wie „Größen", nichts wie glänzende Vorstellungen! Welche Aussichten hat das arme Stadt-Theater, in welche Hände geht es über, welcher blaue Dunst wird dann dem Hamburger erst vorgemacht werden. Uebrigenö erzählt man sich, daß nicht Hr. Bai-
Grenjbotcn. III. 184«. 6Z