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Wien´s poetische Federn und Schwingen : Nicolaus Lenau.
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alle Gegenstände, die sich in Lenau's Seele spiegeln, die düstre Farbe ihres Elementes an, so haucht Grün in alle Gegenstände den lebens­frohen Athem seiner eigenen Brust. Er entblättert die Nosen nicht, um ihren Moder aufzudecken, er läßt sie blühen und gibt ihnen noch das Bewußtsein ihrer Schönheit dazu. Lena» erdrückt jeden äußern Stoff durch die Wucht seiner gewaltigen Natur, bis auf den Trümmern nur sie selbst in erhabener Erscheinung übrig bleibt; Grün's Poesie entzünde! sich erst an den äußern Dingen, erst wenn es keine Sterne, keine Lerchen, keine Rosen mehr geben wird, sagt er selbst, wird der letzte Poet gelebt haben; er trägt aus seinem Herzen den Quellen ihr Rauschen entgegen und den Knospen die entfaltende Liebe, er legt in die ganze Natur, was sie dem Menschen zur Seligkeit macht.

Im Jahre 1806 geboren, lebte er zumeist auf seinen Familien- gütern in Steiermark, und die Landschaften, die ihn dort umgeben, werfen mächtige Neflere auf seine Dichtungen. Dieselbe frische, freie Gebirgsluft scheint sie zu durchwehen, und steht auch mancher Gedanke darin hoch wie ein Gletscher da, daß man staunend zu ihm aufsieht, so einsam und kalt ist er niemals, daß nicht noch ein warmes mensch­liches Gefühl sein trautes Hüttlein dran bauen konnte.

Die erste Leistung, mit der er hervortrat, waren im Jahre 1830 dieBlätter der Liebe", die aber durch den eben bezeichneten Charakter seiner Poesie, der die reine Empfindung nicht genügt, die sich durchaus an Objectives lehnen muß, mehr zu einer anmuthigen als zu einer bedeu­tenden Erscheinung wurden. Wirklich sehen wir darin die Gestalt und die Reize des Liebchens mit zarter Kunst gemalt, das Vvgelchen und die Gartenlaube, Alles, was sie umgibt, tritt in selige Beziehung zu seiner Liebe, ja auch die Wehmuth wirft manchen reizenden Schatten darüber; aber die echte, tiefe, gewaltsame Empfindung rauscht nicht durch diese Blätter, wir sehen das frühlingöhafte Räthsel ihres Entkeimens nicht, wir sehen sie nicht erfaßt vom sommerheißen Gewittersturm der Leiden­schaft, noch endlich welk zu Boden fallen, wenn die Frucht des Glückes oder des Schmerzes daraus gereift ist.

Gar bald jedoch fand sein Genius die rechte Bahn und kurz nach den Blättern der Liebe" erschien ein Nomanzenkranzder letzte Ritter". Im Sonnenuntergang einer uns so romantisch dünkenden Zeit wie das Mittelalter, glänzen Waffen und Rüstungen um so Heller, wird die Ritterlichkeit um so edler; gleich dem sinkenden Gestirn des Tages faßt Meö Scheidende seine ganze Wonne und all' seinen Glanz in- einem letzten Moment zusammen. Drum ist der kaiserliche Held Mcm-