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Wien´s poetische Federn und Schwingen : Nicolaus Lenau.
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rische Gewand, in welchem sie wahrnehmbar erscheinen. Der Skepti­cismus, der an allen Dingen der Welt zerstörend nagt, fortwährend hoffend, daß er endlich auf den Körper treffe, fest genug ihn zu er­drücken und zu zerstören, mußte in dieser Hoffnung einmal auch nach dem Katholicismus greifen. Und es ist nur ein Zeichen von der Charaktergröße des Dichters, in der sich Mensch und Poet identisch umschlingen, daß er auch diese Richtung, und ohne noch zu wissen, daß sie nur eine momentane sein werde, der Welt offen bekannte, allen Mißdeutungen trotzend. Allein schon sein nächstes Buch, der zweite Band der Gedichte, gibt uns Lenau in seiner freien, großen Eigen­thümlichkeit zurück, alle Elemente seiner Poesie zu einer noch bedeu­tendem Entschiedenheit herausgebildet. Aus der Wundergeige Mischka's tönt muthig und wehmüthig zugleich die Seele des Magyarenlandes und in dendrei Zigeunern" erscheint die Philosophie der Resignation, wie man das Lebenverraucht, verschläft, vergeigt und es dreimal verachtet". Von welchem unnennbaren Zauber istder gute Gesell", der das Menschenherz beschleicht, wenn es von Hoffnung und Liebe verlassen und auch der Glaube nicht mehr ausreichen will; ein Nach­zügler aus dem Eden führt er einen räthselhaften Trost mit sich, in Stunden, wo Herz und Vernunft keinen mehr geben können; er ist das Mitleid unsichtbarer Geister um den armen, gefallenen Menschen. Diezwei Polen" erschöpfen die ganze Tiefe einer nie zu vernarben­den, nie auszublutenden weltgeschichtlichen Wunde und imtraurigen Mönch" stellt sich wieder der große, geheime Schmerz der Natur hin, der nicht genannt werdeil kann, weil sein Name allein schon den Men­schen zerschmettern würde. Auch die Ausbeute seiner Reise nach Ame­rika finden wir hier in plastischen Naturschilderungen, die belebt sind von kummervoller Erinnerung an die Heimath,Uhland, wie steht es mit der Freiheit daheim?", während in schweren Wolken der Zweifel darüber hinzieht und finstere Todcögedanken gleich wilden Thieren durch den Urwald schleichen. Dem zweiten Bande der Gedichte folgte nach längerem Zwischenraume ein Romanzencyklus dieAlbigenser", eine Aneinanderreihung erschütternd-großartiger Bilder, die mit dem Herz­blut der Lenau'schen Muse genährt sind und deren Schluß auf den nie erlöschenden Kampf um die geistige und politische Freiheit der Völker hindeutet. Durch die einfachen, hier von tiefster Gewalt erfüll­ten Worte:und so weiter" werden die erhabenen Märtyrerthaten vergangener Jahrhundertc an die unserer Zeit und der Zukunft geknüpft.