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Wiener Zustände mit Bezug auf die diesjährige Kunstausstellung
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ligen verehren, Als Zeichner ist er auch, soweit die Schranken seiner Kunstanschauung zulassen, ein ausgezeichneter Künstler. Doch so­bald er daran geht, seine Contouren durch Farbe in das Reich des Lebens hinüberzuspiegeln, scheitert er, und so geschah es, daß die von ihm gemalten Fresken in der neuen Johanniskirche fast vollendet, wie man sagt, wieder abgeschlagen werdeil mußten, um unter seiner Hand neuerlich zu entstehen. Seit einigen Jahren gibt er in der kaiserlichen Akademie Vorlesungen über Comvositionslehre, die aber mehr oder we­niger nur im Lesen der Bibel, katholischer Gesänge oder einer ka­tholischen Weltgeschichte bestehen. Unter seinen Schülern finden sich einige Talente, wie Engerth Dobiaschowsky, allein sie scheitern leider an der verfehlten Schule. Kuvelwieser, ebenfalls ein sehr beachtenöwer- ther Künstler dieser Richtung, scheint ebenso durch äußere Vortheile als inneren Drang geführt, dieser Sccte anzugehören. Doch ist er theilweise freier in seiner Darstellung; und die in der ueuerbauten Jo­hanniskirche von ihm gemalten Fresken dürfen sich kühn mit den Münch­nern vergleichen.

Schulz hat sich nur das Steife und Mühselige dieser Schule angeeignet; auch fehlt es ihm an Geist, um sich geltend zu machen.

Von den zur Ausstellnng gekommenen Werken der Historienma­lerei ist wenig zu erwähnen. Sie fallen mit geringen Abweichun­gen in die schon geschilderten Richtungen, sie theilen ihre Schwächen und Stärken, aber nirgends zeigt sich ein frischer Anlauf zum Bessern, irgend ein anerkennenswerthes Streben. Man sieht den Bildern alsbald an, daß sie aus einer geistigen Unlust entstanden sind, womit sich nun auch noch das Mangelhafte und oft Kränkelnde der Aus­führung verbindet. Wahrlich wir konnten unter den gegenwärtigen Verhältnissen die ganze Historienmalerei leicht missen, ohne daß wir in unserm innersten Leben deshalb ärmer geworden wären. Die jün­ger» Talente schließen sich, anstatt ihren eigenen Weg zu wandeln, an diesen oder jenen abgelebten Meister an; sie verkaufen ihre Individua­lität, weil sie ihnen nicht vom großen Werthe erscheint und tauschen sich dafür eine armselige Manier ein. Aber freilich werden sie vom ersten Anfang an jeder freiern Regung, jedem selbstständigen Streben durch den künstlerischen Unterricht entzogen. Nirgends werden sie auf die Natur hingewiesen; wie eine Waare wandern sie von Hand zu Hand es wird über stetem Copiren der Keim des Schaffens, die Macht der Phantasie gebrochen; und was als Ersatz dafür gegeben wird, ist ein todter Vorrats) von eingelernten Formen, die immer und