Beitrag 
Tagebuch.
Seite
86
Einzelbild herunterladen
 

66

-

Unser Aller Blicke sind jetzt nach Italien gewendet und mit Span­nung sieht man den ersten politischen Acten des Papstes entgegen. Die politische, die kirchliche wie die finanzielle Welt, sind dabei gleich bcthei- ligt. Bei Hofe und in der Diplomatie hat die ungewöhnliche Auszeich­nung, welcher der heilige Vater bci der ersten Audienz des diplomatischen Corps dem französischen Botschafter ertheilte, viel Aufmerksamkeit erregt, Oesterreich, das in Italien den alten Kampf gegen den französischen Ein­fluß stets mit gleicher Wachsamkeit fortzutampfen hat, erlitt in der letz­ten Zeit einige bedeutende Nachtheile. Der Hof von Neapel und von Sardinien hat sich dem französischen Interesse zugewendet, da man von Varis aus versteht dem Ehrgeiz beider Monarchen, trotz ihrer Rivalität, zu schmeicheln und ihnen die Zukunft auf Kosten Oesterreichs rosenfarbig auszumalen. Ueber die Bewegungen und Stimmungen in Neapel ist man hier genau unterrichtet, da Oesterreich dort durch einen höchst geist­vollen Repräsentanten (Fürst Felix Schwarzenberg) vertreten ist. In Turin dagegen, wo der bevollmächtigte Minister (Graf Buol-Schauen- stein) erst seit zwei Jahren sich befindet, ist kein Wunder, wenn das Terrain unsicher ist und der neu ernannte Legationsrath, Herr von F., den man von Berlin ablöste und dorthin versetzte, wird sich besser auf Gemälde als auf eine Zeichnung der dortigen Zustände verstehen. Zwar heißt es, Sardinien gebe nach und biete beide Hände zur Aussöhnung mit unserm Cabinette, allein daß eine innere Narbe aus diesem Streite bleiben wird, kann man kaum bezweifeln. Sind wir doch auch mit Neapel ungeheuer freundschaftlich und doch hat der König (Schwieger­sohn des Erzherzogs Karl) sich nicht bewogen gefunden, nach Triest zu kommen, als Se. M. der Kaiser vor zwei Jahren dort war trotz der officiellen Anzeige, die ihm unsere Gesandtschaft machte. Würde in die­sem Augenblick eine politische Krisis in Italien entstehen, so könnte Oester­reich nur auf feine eigene Prinzen, d. h. auf die in Toscana, Modena :c. herrschenden Nebenlinien, mit Bestimmtheit rechnen. Um so besorgter ist man, daß sich Rom nicht gleichfalls Frankreich zuwenden und daß die auffallende Manifestation, die der neuerwählce Papst Herrn Rossi in feierlicher Audienz gab, nicht blos eine Aeußerung persönlicher, sondern politischer Zuneigung ist. Daß unser Clerus mit Spannung den Berich­ten aus Rom entgegensieht, bedarf keiner Erläuterung, wohl aber muß ich ein Wort über die Theilnahme der kommerziellen und finanziellen Welt sprechen. Der Handel nach Italien ist es nämlich nicht allein, der über jeden Lufthauch der Halbinsel ängstlich wacht, sondern auch auf unserer Börse wartet man auf jeden Athemzug des Papstes, der ent­scheiden kann, ob der Kirchenstaat Eisenbahnen bauen wird oder nicht. Unsere Kapitalisten und Nichtcapitalisten sind nämlich bei den ver­schiedenen italienischen Eisenbahnunternehmungen hoch betheiligt und es sind in letzterer Zeit namentlich Coursschwankungcn in diesen Papieren eingetreten. So z. B. sind die Papiere der Livorneser-Pisaner Eisenbahn, eine Unternehmung voll Zukunft und Realität innerhalb weniger Wochen von 116 auf 106 heruntergegangen in Folge einer heftigen Contremine. Mit dem ersten Anzeichen, daß der Papst den Eisenbahnbauten im Kir-