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wissenschaftlichen und sonstige patriotische Bereine, die jetzt bestehen, da- tiren erst aus jener Zeit. In Bezug auf die Censur hatte er den Wahlspruch: Volle Freiheit für die Bücher, keine für die Blatter! Sein Bruder Friedrich, in Dahlbergs Schule erzogen, glich ihm an Gesinnung UHd Enthusiasmus. Mit diesen Familientraditionen aufgesäugt, tritt nun der neue„Hofcommissär" seinen Posten in Galizien an- „Der Mann für den Dienst," nicht „der Dienst für den Mann" war Philipp Stadion's Wahlfpruch. Möge der neue Gouverneur von Galizien dieser Devise eingedenk bleiben; sein Dienst verlangt einen ganzen Mann und nicht Jedem ist eine so große Gelegenheit gegeben, sich als solchen zu bewähren. Hier gibt es Raum für einen schönen, erhabenen Ehrgeiz, der seine Befriedigung nicht blos in einer glanzenden Stellung, sondern in denkwürdigen Handlungen sucht. Fast keinem unserer jüngern Staatsmänner ist zur Zeit die Gelegenheit geworden, ihren Namen durch irgend eine That der Geschichte zu vererben; Graf Stadion ist der Glückliche, der an der Schwelle einer geschichtlichen Laufbahn steht. Es gilt ein zerstörtes, aufgewühltes Land regeneriren zu helfen, es gilt alte Schaden wenn auch nicht zu heilen, doch zu unterbinden, Gesetzen und Verwaltung neue Formen, neues Leben zu erwirken. Mögen wir Oesterreicher endlich eine Probe erhalten von dem, was wir von unserm staatsmännischen Nachwuchs zu hoffen haben; besorgt fragen sich die treugesinnten, an ihrem Vaterlande hängenden Herzen, was es von der Zukunft zu hoffen habe und welcher Geist diejenigen belebt, die berufen sind, in die erste Reihe zu treten.
Von Prag hört man, daß der Hofrath Gervay, der auf einer Badereise nach Carlsbad begriffen war, dort hart erkrankt sei. Herr von Gervay ist einer der wichtigsten und einflußreichsten Staatsbeamten der Monarchie. Er ist Protokollführer der Staatsconferenz und hat den Schlüssel zu den wichtigsten Geheimnissen unserer Zeit. Wenn dieser Mann seine Memoiren schreiben wollte?!
Das neue Franzensdenkmal ist noch immer nicht aus dem Stadtgespräch heraus. Man erzählt sich jeden Tag neue Geschichten; unter andern geht das widersinnige Gerücht, man wolle die Statue abnehmen und sie umgießen lassen. Eine komische Enttäuschung fand unser Lese- Publicum in einer gleichzeitig mit der hiesigen Aufstellung des Monumentes in Brüssel erschienenen Schrift: Kaiser Franz der Erste von Oesterreich und seine Zeit (Brüssel 1846). Eine Schrift über Kaiser Franz, eine Schrift, die nicht ein Mal in Deutschland die Censurerlaubniß erhalten konnte und nach Brüssel flüchten mußte, eine Schrify deren Verfasser so geschickt den Zeitpunkt abwartete, um sie in die Welt zu schleudern, muß gar pikante Sachen enthalten: wie erstaunte man und lachte einander aus, als man bei näherer Besichtigung eine Art Schulbuch fand, das eben so gut hier in Wien bei Schmidt oder in Grätz bei Kienreich, in Prag bei Gottlieb Haase u. Söhne hätte erscheinen können. Ich will Ihnen blos die Schlußzeilen citiren, um ihnen den Geist des scheinbar nach Belgien geflüchteten Buches zu bezeichnen: „Wir haben den Gegenstand dieses Werkes (!), den Kaiser Franz, vor» sei-