T a g e b u ch.
i.
Politische Romane.
„Zeiten und Sitten" — der allgemeine Titel, unter welchem L, Schük- king seinen neuesten Roman die Nitterbürtigen gibt, und mit welchem er eine Reihenfolge ähnlicher Gemälde in Aussicht stellt, — macht uns nicht irre, diesen Roman als einen politischen zu bezeichnen. Die Nit- terbürtigen erscheinen eben in neuester Zeit uns auf rohcavaliere Weise autonomisch genug gestimmt gegen die herrschende Macht und für ihre „ultramontankirchlichen, reactionären Interessen"; die Haupttriebfeder der Romanverwickelung, die Grasin von Quernheim, ist ferner von einem nur zu männlichen Ehrgeize für die alte oder für eine neue Macht des Adels gespannt, und die Verwicklungen des Romans gehen aus ihren politischen Verstimmungen und Intriguen hervor. Dazu bilden die politischen Reflexionen des Poeten den eigentlichen Kern seines vielfach ausgezeichneten Buches, das bereits in gewissen Gegenden und Kreisen Aufsehen genug zu machen anfängt. Die Erfindungen des Dichters schweben nicht in der Luft, sondern halten sich mit festen, kundigen Schritten auf einem eigenthümlich angebauten Boden zerstreuter Bauernhöfe und zahlreicher „feudalistisch bethürmter, altergrauer, wallgrabenbeschützter Adtlssitze". Wie diese Provinz wird man auch die Gesellschaft bald erkennen, die „durchaus exquisit, in jedem Tropfen reinstes Vollblut und ohne das geringste Plebejer-Element ist, welches einen trüben Hauch oder Schatten auf die glänzende Reinheit der Assemblee werfen könnte. Der Odem eines Rotüriers hat nie die lautere Atmosphäre dieser Gemächer insicirt; ein großer und genialer Künstler, ein die Welt erschütternder Denker würde vergeblich um die Gunst buhlen, eine Einladung zu diesem Clubb zu erhalten," wo nur von Hunden und Pferden, von Jagd und Fohlenweiden gesprochen wird. Der Fürst ist „ein geistreicher Mann von vielen Fähigkeiten und poetisch erregbarer Natur, alten Namen wie ritterlichem Wesen geneigt; die Negierung aber trifft mit den Bestrebungen der Nitterbürtigen," das demokratische Element der Neuheit niederzuhalten und der Volksentwickelung keine Selbstthümlichkeit zu lassen, einträchtiglich zusammen."