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Das Sängerfest zu Hergen am Zürcher See.
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men, nicht eine Scene unanständigen Betragens hab' ich erblickt, nicht einen Ton rohen, wilden Jubels hab' ich gehört.

Gedenken wir noch mit einem Worte eines andern Strahlenkran­zes, der dies Fest beleuchtete und dem Fremden ein schönes Licht über den schweizerischen Volksgeist verbreitete. Die hier erwähnten Redner sind aber Männer, deren Geist nicht in Treibhäusern gebildet ist, keine sophistische Disciplin hat ihn dreffirt, sie hätten, ihrem Stande nach, zum Theil nicht nöthig, gedankenreich, ja geistreich zu sein, und bilden sich gewiß nicht ein, daß sie's sind, und doch, wer wagte zu behaup­ten, daß sie's nicht waren? Und jeder Gute gibt sich von selbst die Antwort, daß die beste Volkslehrerin die Freiheit sei.

Der Ordner des Festes dankte zuletzt den Bewohnern des Städt­chens Hergen und seinem Gesangvereine für seine gastliche Ausnahme, und mit herzlichem Abschiedsrufen wurden wir von dem glücklichen, edlen Volke auf das Dampfboot entlassen. Still lauschte die ambro­sische Nacht den Nachzüglern der Freude, welche melodisch, vom Dampf­boot herab, über den See tönten, und der klare Wasserspiegel wagte es nicht, horchend, Wellen zu schlagen.

Die Schweiz ist durch den Sieg der Liberalen im Canton Zürich nicht blos von der Gefahr, daß das reactionäre Element noch weiter um sich greife, gesichert, sondern hat vielleicht einen großen Schritt zur Ausbildung wahrer Volksfreiheit gethan. Denn der Canton Zürich behauptet unter allen Cantonen der Schweiz einen hervorragenden, wenn nicht den größten Einfluß auf die übrigen Cantone. Es werden ohne Zweifel, wie es zum Theil schon jetzt geschieht, nach und nach die schwankenden Cantone dem Beispiele Zürichs folgen und durch Ein­setzung volksfreundlicher Regierungen zugleich ihrem socialen Ruin und ihrer moralischen Verderbniß ausweichen. Wahrlich, es ist empö­rend, wenn man, dies herrliche Land durchreisend, das Glück eines so braven Volkes durch den Einfluß der Cabinette untergraben sieht, welche dies enge Plätzchen im weiten wüsten Europa, wo die Freiheit noch ein gesichertes Asyl haben könnte, durch ihre Politik bedrücken und beeinträchtigen. Schwer hat Napoleons Geißel über die Schweiz geschaltet, die Geschichte hat ihm auch hierfür ihre Verwünschungen, und mit Recht, nachgerufen, aber so böse hat er's wahrlich nicht mit der Schweiz gemeint, als das jetzige Cabinet und namentlich das fran­zösische. Denn er ertheilte nach der Schlacht bet Marengo der Schweiz den weisesten und damals angemessensten Rath, er wollte oder konnte vielleicht nicht die vollendete Ausbildung ihrer Verfassung bewirken, aber er rieth,