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hat im abgelaufenen Betriebsjahr allein 399,882 Passagiere befördert und mag uns eine Probe der Frequenz liefern, die die große italienische Schienenstraße, welche die beiden Hauptstädte des Landes mit einander verbindet, zu erwarten hat.
Ein neues Unternehmen von Wichtigkeit betrifft die Dampfschiff- fahrt auf dem Po, die bisher, wegen der eigenthümlichen Natur dieses Stromes noch nicht in Anwendung gekommen ist. Unter dem Vortritt des ausgezeichneten Patrioten Graf Mocenigo hat sich nämlich ein Actienverein zur Befchissung des Po mit Dampfbooten gebildet, deren erster Versuch als gelungen zu betrachten ist, indem das in Venedig gebaute Dampfschiff: Ounte88» (üvmentinit die Fahrt von der Mündung des Flusses bis nach Pavia an der sardinischen Grenze mit I Schuh Tiefgang und einer Schnelligkeit von 5 Mig- lien in der Stunde, in 5t) Stunden zurücklegte. Bringt man die Hindernisse in Anschlag, welche wiederholte Fahrten beseitigen werden, so scheint es gar keinem Zweifel unterworfen, daß die Strecke vom adriatischen Meere his nach Pavia in Zukunft zu Berg in 35 und zu Thal in 29 Stunden zn durchschiffen sein werde.
Die hier noch im vollen Andenken befindliche Gräsin Samvilow eine geborene Gräsin Pahlen ist durch ihre romantische Ehe mit dem Franzosen Perrv, den sie auf einer italienischen Bühne kennen gelernt, wieder zum Tagsgespräch der Gesellschaftszirkel geworden, in denen sie sich eine Reihe von Jahren hindurch bewegt hatte. Die Grasin Samvilow lebte hier als cmancipirte Dame auf großem Fuß und ihr Haus war ein Sammelplatz aller Kunstnotabilitäten und ausgezeichneten Manner in jeder Sphäre; Generäle und Sanger, Maler und hohe Staatsbeamte gingen dort ein und aus und verliehen ihrem Salon einen Anstrich genialer Ungezwungenheit und vollendeter Geselligkeit, wie er in Italien und zumal im österreichischen Gebiet wohl selten zu finden sein mag. Die Frau Gräsin, welche in dem gefährlichen, von Balzac so vortrefflich geschilderten Alter zwischen 25 und 36 Jahren stand, besaß ein gefühlvolles Herz, dessen wechfelvolle Schicksale der Fama der Stadt den reichlichsten Stoff lieferten. Man erzählt, daß in dem Palast der Gräsin sich ein Saal befand, in dem die von guten Meistern aus schönem Mormor gefertigten Büsten der ausgezeichnetsten Manner aufgestellt waren, denen sie irgend einmal ihre Huld geschenkt hatte. Außer ihrer Villa am Comersee hat sie gegenwärtig keine Besitzung mehr auf italischem Boden und wird die Freuden der Ehe in dem gerauschvollen Paris genießen.
Die Erwähnung des Comersees erinnert mich an den poetischen Tischler, der recht artige Sonette hobelt und in der reizenden Seestadt ein sonderbares Doppelhandwerk ausübt; in Deutschland besitzt die Schuster- und Schneiderzunft fast ausschließlich unter den Handwerkern die dichterische Ader; in Italien und Frankreich zeigt sich die