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jagen sollten. Ich war sehr traurig, wie von der Ahnung eines großen Schmerzes bedrückt und wurde es noch mehr, wenn ich auf das schöne Wien blickte, die Leiche im Prachtkleide, eine Leiche, die niemals gelebt hatte, in deren sinnlichen Zügen nie eine Theilnahme aufgeflammt war für die Begeisterungen des Lebens, der Jugend, der Menschheit. Da trat ein phlegmatischer Wiener Zeitungsleser zu mir in's Zimmer und sagte: Börne ist todt; er ging weiter, froh eine Neuigkeit zu wissen, die des Erzählens werth ist. Ich sank zerschmettert nieder unter der Wucht dieses Schmerzes, und nur die Scham, die jede wahre Empfindung begleitet, verhindert mich zu erzählen, was ich damals gelitten. Eö war nicht mein Schmerz, der des völlig Unbekannten, Einzelnen; durch die ganze Kette der edelsten, deutschen Jugend, die sich im Geiste die Hand reicht, daß Keiner isolirt stehe, zuckte der Schmerz wie ein elektrischer Schlag. Wir fürchteten, fortan eine Glocke ohne Schwengel zu sein, unfähig, Sturm- und Friedenstöne laut werden zu lassen, wenn uns der Arm der Zeit, Antwort heischend, in Bewegung setzt. Er war ja die Zunge, die für uns gesprochen und wie Donner Gottes in die Gewissen geschlagen hatte. Wer war ein Held, wie er! Die Könige haben vor ihm gezittert!
Mehr als sieben Jahre sind seit Borne's Tod verflossen, man hat unterdessen seinen literarischen Nachlaß herausgegeben und seinem Landsmanne Göthe ein Denkmal gesetzt. Deutschland hat sich sehr gleichartig gezeigt für den feierlichen Enthüllungsact des Monumentes, vielleicht weil es schon längst gewohnt war, inmitten der stürmischsten Lebensäußerungen des Volkes Göthe, den Erz--Göthe
als unbewegliche, theilnahmslose Statue zu sehn, in ewiger, künstlerischer Ruhe. Es wird aber vielleicht eine Zeit kommen, die es nebst vielem Andern auch möglich machen wird, Börne's Asche von seinem Pariser St. Helena nach Frankfurt zu bringen, ach! von seiner alten Garde wird vielleicht Niemand mehr leben, aber wir wissen, daß bis dorthin auch Keiner von den Feinden mehr leben wird, die er immer bekämpft hat. Und wir können Herrn Hofrath Dingelstedt versichern, den Mangel an Würde und Sympathie, den er bei Einweihung des Göthe-Denkmals rügte, wird er nicht mehr empfinden müssen bei jenem feierlichen Enthüllungsact deutscher Liebe.