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derisch die leiseste Anstrengung der Menschen lohnt! Und doch gibt eS, mit Ausnahme Irlands, kein Land der Welt, wo die Blöße der Armuth, der Bettelstand und die blödsinnigste Verwahrlosung des Körpers, wie des Geistes so nackt und schamlos auf der Straße liegt. Bei einer solchen Verwaltung ist es allerdings ein menschlicher Zug der Regierung, daß sie so wenig für Schulen, Unterricht und Aufklärung unter dem Volke sorgt, ja augenscheinlich es davon entfernt halt. Denn wie herzzerreißend wäre es, wenn dieses Volk zur Erkenntniß käme, wenn es in den Apfel beißen würde, der ihm die Augen öffnete über seine Nacktheit, über die unbedeckte Scham, mit welcher es unter den übrigen civilisirten Völkern einhergeht.
Dieses Erwachen, diese Erkenntniß ist es auch, was man am meisten fürchtet, dies ist es, was die Versuche einer Hand voll Malcontenten, die in Malta oder sonst wo machtlos Freiheitspläne träumen, so furchtbar macht, obgleich in Neapel selbst, d. h. im Königreich wie in der Hauptstadt kein Anzeichen von politischer Regsamkeit sich vorfindet. Aber es ist vulkanischer Boden. Diese müßigen Volkshaufen, leicht erregt, leichtgläubig, beutesüchtig, stehen zu jeder Stunde dem zu Gebote, der ihre Leidenschaft zu schütteln weiß. Ein Funke in diese Pulverkammer, und sie fliegt auf. Darum liegen vor dem Palaste des Königs, dessen Hinterchore dicht am Rande des Meeres sich befinden, stets acht tressliche Dachten bereit; bei dem ersten Zeichen von Gefahr befindet sich die königliche Familie in Sicherheit. Darum wurden Feste wie das Piedegrottefest veranstaltet, wo der König (erst vorigen Sonntag) Musterung über dreißigtausend Mann Truppen in Mitte der Stadt hält und das ganze Arsenal von Feucrschlünden vor den Augen des Volkes mehrere Mal auf- und abgeführt wird. Das Militär! Das ist der Glanzpunkt der neapolitanischen Staatsverwaltung, die Lieblingsschöpfung des Königs. Dieser Staat, der in seiner innern Entwicklung noch so unfertig ist, dessen zahlreiche Bevölkerung der Regierung, welche die müßigen Hände nicht zu beschäftigen weiß, eher wie eine Last als wie ein Reichthum erscheint, dieser Staat hält eine Armee auf den Beinen, so stark, so tresslich ausgerüstet und cxercirt, so schlagfertig, als sollte sie jeden Tag auf einen Eroberungskrieg ausziehen, um neues Land.dem Arbeiter, neue Ausfuhrcanäle dem Handel zu gewinnen. Werfen wir einen Blick auf die politische Stellung dieses Staats, so finden wir ihn von zwei Polen gleichmäßig angezogen und abgestoßen: Oesterreich und Frankreich. Wie einst Italien in Guelfen und Ghibellinen getheilt war, so bekämpfen sich jetzt die beiden großen Nachbarstaaten um ihren Einfluß. In Oberitalien ist Oesterreich, dessen Herrscherdynastie in Seitenlinien auf dem Throne von Toskana, Modena, Parma sitzt, der treue Beschützer des heiligen Stuhls, unzweideutig in seinem Einfluß überwiegend; weniger sicher ist er seiner Sache bei dem sardinischen und