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Tagebuch.
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T a g e b u ch.

i.

Aus Wien. I.

Die Reise des Kaisers; Festlichkeiten; der Bürgermeister von Mcidling; Un­fälle. Ein Pergament. Eine Gaunergeschichte. Ein Melodramestoss. Reform der österreichischen Marine; die Bandieras. Herr von Holbein und der König von Preußen.

Unsere Blatter sind jetzt voll von Berichten über die Reise des Kaisers nach Trieft, welche um so größeres Aufsehen erregt, als das Reisen nicht im Geschmack des Monarchen liegt, der nur selten die Hofburg zu Wien oder das Lustschloß von Schönbrunn verlaßt. Seit seinem Regierungsantritt im Jahre 1835 hat Kaiser Ferdinand außer den nothwendigen Krönungs- und Huldigungsreiseri nach Böhmen und Italien und dem langen Aufenthalt in Preßburg bei Eröffnung des gegenwartigen Landtags die Hauptstadt nicht verlassen, was in gewisser Beziehung ohne Zweifel sehr wohlthatig ist, denn Fürstenrei­sen kosten viel Geld! - Die Feierlichkeiten, welche die an der Eisen­bahnlinie nach Gloggnitz gelegenen Städte und Ortschaften zum Em­pfang des kaiserlichen Paares vorbereitet hatten, waren zum Theil vergeblich, weil die Reise so rasch und ohne Unterbrechung fortgesetzt wurde, daß Manches unberücksichtigt bleiben mußte. Im Bahnhose zu Meidling, wo Se. Majestät die Eisenbahn betrat, ward er von einer Deputation empfangen, an deren Spitze der dortige Bürgermei­ster stand, der sich vergeblich abmühte, seine sorgfältig einstudirte An­rede zu halten. Nachdem er es zu wiederholten Malen versucht, sei­ner Suada die Zügel schießen zu lassen, und er dabei doch niemals über den Titel: Durchlauchtigster Kaiser! hinauskam, unterbrach der Kaiser die peinliche Ceremonie mit dem scherzhaften Rath, er möge auf die kleinen Schulmädchen Acht haben, die in weißen Festgewändern

Grmzboten II. II