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Tragödie hier zur Aufführung kam, nachdem sie in Berlin durch ein verschämtes Verbot untersagt worden; denn wie es verschämte Bettler gibt, so gibt es auch verschämte Staatsmaßregeln und Verbote. Hierzu kommt, daß die Tragödie zum großen Theil auf protestantischen Glaubenselementen beruht, die, wie man fast meinen sollte, in München Anstoß erregen, in einem protestantischen Staate wie Preußen aber selbst der Regierung willkommen sein mußten. Freilich hat man für die Münchner Aufführung das protestantische Glaubensfeuer, wo es in zu hellen Flammen aufzuckte, etwas gedampft, und wenn es im Texte heißt: Der Kaiser ist unseres Glaubens wie unserer Freiheit Feind, so hieß es bei der Aufführung in München: Der Kaiser ist unseres Landes, wie unserer Freiheit Feind. Mit diesen einzelnen Aenderungen hat man jedoch den protestantischen Kern des Stückes natürlich nicht tilgen können. Die Freiheitsphrasen hat man sämmtlich als unschädlich stehen lassen; man wußte wohl, daß sie beklatscht werden und den augenblicklichen Effect steigern würden, man wußte aber auch, daß sie nach herabgelassenem Vorhang vergessen sein würden. Freilich liegt für Jeden ein unbeschreiblicher Zauber in dem kleinen Worte „Freiheit!" Der Subaltcrnbeamte denkt sich dabei die Erlösung von den mancherlei Qualereien und langen Nasen, denen er von oben her ausgesetzt ist, der Gymnasiast die Befreiung von den abscheulichen Exercitien und Lectionen, welche ihm sein junges Leben verbittern, der Kaufmannslehrling eine Erweiterung seiner Freistunden, um spazieren gehen zu können, und nun gar der Hausknecht, die Wirthschaftsmamsell, die Köchin! Weil aber die Meisten das Wort Freiheit sich zu Gunsten auslegen und auf ihre speciellsten und nächsten Lebensverhältnisse anzuwenden wissen, hat es auch lange das ungeheuer Staatsgefährliche nicht, zu dem die Acngstlichkeit es gestempelt hat; und weder die Arbeiter in Jngolstadt, noch die Weber in Schlesien, noch die hiesigen Vorstadter haben bei ihren Emeuten etwas im Sinne gehabt, was einer prutz'schen Freiheitsidee nur von ferne ahnlich sähe. Man mache es den Gensdarmen unmöglich, einen arretir- ten Arbeiter auf der Gasse brutal todtzustechen, man schinde dem armen Weber Nichts vom Wochenlohne ab, man erhöhe die Vierauflage nicht, und man wird sehen, wie gleichgiltig es diesen Leuten ist, was Herr Prutz von der Freiheit und die Freiheit von Herrn Prutz denkt! Man mag mit Recht einen großen allgemeinen Fortschritt der Zeit darin erkennen, daß auch der Dichter mehr als früher politisch zu sein strebt und um so größeren Anklang findet, je mehr die Interessen der Zeit, seien sie nun bloße Eomposition, oder von wirklichem Metallgehalt, in seinen Dichtungen ein fortrollendes Echo finden. Nur sollte man es dem Dichter nicht zu leicht und bequem machen und dasjenige, was nur ein Abgekochtes der Zeit und in Jedermanns Ohren ist, ihm und seinem Talente als eine ganz beson-