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des Buchhändlers L. X. X., und von da in das Comptoir des Buchhändlers X. L. X. X. u. s. f. mit einem dicken Manuscript schlüpfen sehen, und heute in aller Frühe soll der Unglückliche mit seinem Manuskript schon wieder auf den Beinen gewesen sein. Wie ganz anders in München! Hier kann ich Wochen lang mit einem Manu- script, ohne es eben so wenig als in Leipzig loszuwerden, aus einem Buchhändlerladen in den anderen stürmen, so viel deren hier Vorhanden sind, und Niemand wird es hier einfallen, zu sagen: Das ist der unglückliche Schriftsteller, Literat oder Dichter So und So, und das, was er unter dem Arme trägt, stellt ein Ding vor, welches man Manuscript nennt, und woraus später ein gedrucktes Buch werden svll — wie gesagt, man hat von dem Manuscripthandel, wie er in Leipzig betrieben wird, hier keine Ahnung, keinen Begriff von den schmerzlichen Empfindungen und Eindrücken, welche sich an ein unverkauftes und überall zurückgewiesenes Manuscript knüpfen; man würde aber, hätte man einen Begriff davon, demjenigen, welcher auf der buchhändlerischen Fuchsprelle so aus einem Laden in den anderen geschnellt wird, ein unverhofftes, menschliches Mitleid zollen, ein Mitleid, für welches die Leipziger GesellschaflSmaschine freilich ersterben ist.
Denn dies muß man den Münchnern im Allgemeinen nachsagen, daß sieder Natur und dem menschlich Einfachen viel näher stehen, als die Culturmenschen an der Pleiße oder Spree, welche mitten im Gespinnste der Weltgeschichte sitzen und auf ignorante Brummftiegen Jagd mache,,, um ihnen auf kritischem Wege das Blut abzuzapfen. Es wäre eben so unvernünftig von den Münchnern, wenn sie von den Leipzigern, welche an der Urstätte des Protestantismus Hausen, verlangen wollten, ihre Anschauungen sollten plötzlich, wie man die Hand umwendet, katholisch sein, als es von den Leipzigern unvernünftig wäre, wenn sie an die Münchner die Anforderung stellten, sie sollten plötzlich alle Dinge um sich her mit protestantischen Augen ansehen. Ich will indeß keine Korrespondenz mit religiös-kirchlichen Tendenzen schreiben, sondern nur im Allgemeinen darauf aufmerksam machen, daß ich von Intoleranz im geselligen Verkehr hier noch keine Spur wahrgenommen habe. Alt öffentlichen Orten habe ich hier noch nie über religiöse Gegenstände, und am wenigsten in inhumaner und aufreizender Weise, disputiren hören, während in Norddeutschland religiöse
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