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kein Anderer, als der noble Herr Mir mit seiner Emilie, Ihrer HauS- genossin. Haben heute Abend gewiß viel verdient, und nun geht'S noch spät auf den Ball. Sehen Sie nur, wie eilig sie's haben, wie sie dort schon tanzen! Mit diesen Worten hüpfte sie schnell zu ihrem Begleiter zurück, ohne daß ich noch mit ihr sprechen konnte. In der That sah ich Alir mit Emilien sich schon im wüthenden Tanze drehen. Um mich von dem Tumult etwas zu erholen, stieg ich in die stilleren, kühleren Säle der Galerie hinauf. Hier saßen nur einige verliebte Paare, ohne Masken, auf den Divans umher. Ich hatte mich eben, ermüdet, in einen Winkel gedrückt, um ein wenig auszuruhen, als ich neben mir einige sehr laute Küsse fallen hörte. Ich schlage die Augen auf, und wen erblicke ich? Wieder einen Hausgenossen, den sentimentalen, ewig verliebten Schreiber in rosafarbenem Domino, der den Arm fest um den Hals einer Fledermaus geschlungen hatte und mit aller Gluth das hohe Glück genoß, daö ihm heute Abend zu Theil geworden. Die Holde, die er gefunden, mochte wohl etwas weit über die dreißig hinaus sein, hatte von Lie- besgluth oder Schminke auffallend geröthete Wangen, lange, blonde Locken, und erwiederte seine stürmischen Liebkosungen züchtig und mit wahrhaft jungfräulicher Schüchternheit. ES machte mir unendlichen Spaß, unerkannt und unbemerkt dieser kömischen Scene zuzuschauen! Endlich sagte die Schöne ganz verschämt, daß sie hinuntergehen und ihren Bruder suchen wolle, da sie Hunger habe. Ich sah den Schreiber ängstlich in seine Taschen greifen. Nach einer Pause meinte er, sie solle nur einstweilen hinuntergehen, er werde ihr gleich nachfolgen. Der arme, galante Schreiber saß wieder trübsinnig, allein und verlassen da. Doch hatte mich der Hunger der Dame an ein ähnliches Bedürfniß erinnert, das ich zu spüren begann; ich stieg wieder in den Tunnel hinab, meine Freunde aufzusuchen und mit ihnen zu speisen. Diejenigen, die ich vorhin hier so munter gesehen hatte, waren schon stiller geworden, aber neue Lärmmachcr an ihre Stelle gerückt, das ganze Bacchanal war nur noch bunter und mannichfalti- ger geworden Die meisten der Mädchen, die früher hier gesessen hatten, waren entweder trunken wieder hinauf in den Tanz gestürmt, oder lagen an die Schulter ihrer Begleiter gelehnt und schliefen. Doch mußten sie so gewöhnlich den sich immer neu Hcrzudrängenden nach heftigen Debatten den Platz räumen. Auch Mathilde sah ich