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ten und stürmischen Januarnacht, als ich einst dort wieder mit ihm zusammentraf. Ob er denn heute auch noch nicht nach Hause gehen und das Bett suchen mag? dachte ich mir. Ich wartete, bis er den Hut nahm, und suchte mit ihm zugleich zur Thüre hinauszugehen. Nicht ohne viele Mühe gelang es mir endlich, ihn zu begleiten und seine anfängliche Berdrüßlichkeit über diese Störung zu verdrängen. Es war, als wenn die nächtliche Stille, der brausende Sturm und die menschenleeren Straßen ihn immer gemüthlicher und zutraulicher stimmten. Wir gingen die Lindenstraße herauf bis zum Brandenburger Thor; ich hüllte mich fest in meinen Mantel, der Alte aber schritt in seinem dünnen Röckchen einher, als berühre ihn die schneidende Luft gar nicht. Seit dreizehn Jahren, sagte er endlich, habe ich mich an diesen nächtlichen Spaziergang gewöhnt, den ich in jeder Jahreszeit und bei jeder möglichen Witterung mache. Seit dieser Zeit bin ich auch nie am Tage aus dem Zimmer gegangen, außer am Sonntag zu einem Verwandten. Sonst besuche und spreche ich keinen Menschen; der Lärm und das Geräusch der Welt hat mich längst müde gemacht und ist mir zum Ekel geworden, ich mag von ihrem Treiben Nichts mehr sehen und hören. Als ich ihn darauf frug, ob er sich denn nicht langweile, den ganzen Tag so allein auf dem Zimmer zu sein, sagte er halblaut und in feierlichem Tone: Nein, meine Beschäftigung ist die Poesie, ich lese und schreibe. Schon längst hatte ich hinter der Manier und Ausdrucksweise dieses Greises etwas Ungewöhnliches gesucht, das mich mit immer neuem Interesse zu ihm hinzog; er war also Poet, seine Schreibereien Produktionen. — Und Sie haben noch Nichts von Ihren Arbeiten veröffentlicht? frug ich weiter.—Nein, ich schreibe Nichts für die Welt, die nicht werth ist, daß man für sie schreibt. Erj sagte das mit einem Tone von Bitterkeit, der auf Unglück schließen ließ, das er, verdient oder unverdient, mit seinen Productionen gehabt. Nachdem wir wieder eine Zeit stumm und nachdenkend neben einander gegangen waren, fuhr er fort: Die Beschäftigung mit der Poesie ist mir nicht Arbeit, sondern Erholung von den Mühen und Leiden eines langen, schicksalerfüllten Lebens. Sie war der Sturm und Drang, das Feuer und die Kraft meiner Jugend, sie ist noch die Freude, das unschuldige Spielzeug meines hohen Alters, das Einzige, was mir aus einer schmerzensreichen Vergangenheit übrig geblieben ist, mich in mci-