Lebensbilder aus Berlin.
Von
Albert Fränkel. Ein Hotel garni.
Erste Abtheilung. 4.
Es ist eine nicht uninteressante Unterhaltung, an einem schönen Sommernachmittag, wenn man gerade nichts Besseres zu thun weiß durch verschiedene Straßen von Berlin zu schlendern und, als suche man eine Wohnung, in einige der Häuser einzutreten, an denen sich Zettel mit der Aufschrift befinden: Hier sind meublirte Zimmer zu vermiethen. Man macht da oft die Bekanntschaft origineller Perso- nen, wird zufälliger Zeuge interessanter, oft spaßhafter Scenen und Familienbegebenheiten, und wer Berlin von allen seinen Seiten gründlich kennen lernen will, den verweisen wir auch in der That auf diesen höchst amüsanten und belehrenden Weg. Ganz anders stellt sich jedoch die Sache heraus, wenn man bei schlechtem Wetter gezwungen ist, eine solche Tour zu machen. In dieser Lage befand ich mich einst an einem höchst unfreundlichen Novembertage. Mit Schnee vermischter Regen fiel in Strömen herab; ich war schon den ganzen Vormittag umhergelaufen, war unzählige Treppen auf- und abgestiegen, hatte schon mehr als ein Dutzend Zimmer gesehen und noch kein einziges hatte mir behagt. Ganz durchnäßt und erschöpft stimmte ich endlich meine Ansprüche herab und beschloß, das erste beste, das mir wieder in den Weg käme, zu miethen. Ueber einer kleinen Hausthür in der K—straße sah ich den Zettel glänzen; ich trat-ein, ohne mir das Haus weiter anzusehen. Eine hübsche un-
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