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Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs. III.
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mit einem Gefühl, dessen Natur ich nicht kannte, oder noch besser ge­sagt, ohne alles Gefühl aus der Kaserne hinaus. Ich war mit mir uneins, ob ich recht oder unrecht gehandelt, meine Hand­lung war nicht das Resultat meiner Ueberlegung, sie war die Frucht der momentanen Uebcrraschung, mein Gefühl übermannte meine Ver­nunft. Mein erster Gang war zu einein Freunde, um sein Urtheil über das so eben Vorgefallene zu hören; aber ich fand keinen Trost. Die Geschichte wurde in der ganzen Garnison binnen wenigen Stunden ruchbar, und ich fand unter allen meinen Bekannten nur einen einzigen Hauptmann, der mir einen guten Ausgang prophe­zeite und meinen Muth mit dem Beisatze aufrichtete, indem er mir sagte: Und wenn es wider besseres Hoffen mit Ihnen nicht gut ausfallen sollte, so entschädigt Sie vollkommen das Bewußtsein, daß Sie einen solchen Entschluß fassen und ihn ausführen konnten! Bei meiner Nachbausekunft fand ich ein Aviso, daß ich den folgen­den Tag beim Stabsrapport zu erscheinen habe, welches vorauszu­sehen war. In der Frühe überbrachte mir der Korporal den Früh­rapport, in welchem der gestrige Vorfall mit folgenden Worten ge­meldet war: Kanonier N. sollte vermöge löblichen Compagniebefehls wegen Nachlässigkeit im Dienste mit fünfundzwanzig Stockstreichen bestraft werden, es wurde jedoch nur der Befehl vorgelesen, und die Strafe auf Befehl des Herrn Jnspcctionsoffiziers nicht vollzogen. Diesen Rapport mußte ich unterschreiben. Als ich beim Compagnie­rapport erschien, wurde von Seite des Hauptmanns der Vorfall gar nicht erwähnt, sondern blos als der Kanonier seinen Dank we­gen der gnädigen Strafe ausdrücken wollte, befahl er demselben spöt­tisch, sich bei mir zu bedanken, welches derselbe auch that und ich annahm. Nach dem Rapport ging ich und der Hauptmann zum Major, welcher mir mein unüberlegtes Handeln vorstellte und mich schon im Voraus wegen des Verlustes meiner Charge bedauerte. Von da ging es zum Commandanten. Der Commandant fand durch­aus keinen Ausdruck, um mein Vergehen zu bezeichnen. Ich diene bereits sechsundvierzig Jahre, sagte er, und ein solcher Fall ist mir noch nicht vorgekommen. Zwei solche Offiziere in der Armee, wie Sie sind, würden alle Disciplin über den Haufen werfen, da­her müssen Sie sich es selbst zuschreiben, wenn Sie ein Erempel statui-