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Die Maler in Belgien seit 1830.
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Griechen und Römer mit Kürassierhelmen, religiöse Bilder in der gräulichsten Weltlichkeil. Die Menge der Besucher gaffte hier und dort, drängte sich aber in Gruppen und Haufen vor einem Gemälde, das ohnstreitig als das erste und dominirende dieser ganzen Aus­stellung betrachtet wurde. Dies Bild hatte sich weder unter den Griechen, noch unter, den Heiligen seinen Gegenstand ausgesucht, son­dern stellte eine kleine, aber denkwürdige Episode aus dem niederlän­dischen Befreiungskriege dar, eine ergreifende Scene aus der Belage­rung von Leyden im Jahre 1574. Folgendes ist der Stoff.

Die Stadt hatte den belagernden Spaniern den muthigsten Wi­derstand geleistet; aber die Lebensmittel waren ausgegangen, der Hunger ist auf den Gesichtern Aller gemalt, das Volk drängt auf Uebergabe, das Haus des Bürgermeisters Van der Werff wird ge­stürmt, man verlangt, er solle die Schlüssel der Stadt dem Feinde übergeben. Da tritt er heraus, bleich, aber ruhig, unter die wüthende Menge. Ich habe den Staaten gelobt, diese Stadt zu halten, ich kann mein Wort nicht brechen; Brod habe ich keins für Euch, aber wenn Ihr mein Blut trinken wollt, nehmt es hin und sättigt Euch daran.

Diese Scene war.weder in einem besonders großen Rahmen, noch mit dem gewöhnlichen Theatereffekt gemalt, aber die dramati­sche Gruppirung, die Wahrheit des Ausdrucks, vor Allem aber das harmonische classische Colorit, mahnte unwiderstehlich an die alten vaterländischen Meister. Alle Welt wollte den Namen des Malerö wissen, er hieß Wappers. Wappers? kein Mensch kannte ihn; man erkundigte sich und hörte, es sei dies der Name eines jungen Malers aus Antwerpen, eines Zöglings der dortigen Akademie, die mühsam, aber fruchtlos den Spuren der Nubens'schcn Schule nach­wandelte. Das erste Mal nach fast hundert Jahren flössen aus diesem versiegten Brunnen wieder frische, helle Tropfen, trug dieser verdorrt geglaubte Baum wieder goldene Frucht. Rubens! der Name war plötzlich wie durch eine Zaubererinnerung auf allen Lippen, war, als fiele der Schleier den Leuten von den Augen und als erkennten' sie mit einem Male den Götzendienst, den sie bisher vor fremden Altä­ren getrieben. Dieser revolutionäre Geist gegen die bisher herrschende Kunstdynastie wurde durch die Revolution gegen die herrschende