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Dingelstedt und die öffentliche Meinung.
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gchen. DaS negative, und wie mich daucht, ungleich schwerere Un­recht besteht darin, daß Dingelstedt sich durch seinen Schritt gezwungen Hot, auf seine politische Mission zu verzichten und, ob auch noch so unabsichtlich, das Vertrauen der Station in ihre Vertreter zu gefähr­den. Dem Volke steht ein Recht zu auf seine Manner. Wer sich vorangestellt, sich bemerkbar gemacht hat, übernimmt dadurch die Verantwortlichkeit eines Führers; weicht er aus seiner Stellung, so verbreitet dies weit mehr Kleinmuth, Argwohn, Verwirrung, als wenn sich ein obscurer Mensch aus dem Staube macht. Der Führer belastet durch Abfall oder auch nur durch dessen Schein sein Genüssen nicht blos mit seiner eigenen That, sondern auch mit den Fehltritten derer, welche sein Beispiel verlockte, mit dem Hasi derer, welche, treu geblieben, hierunter leiden, und mit der Schuld des verlängerten Kampfes. Es ist schön, aber gefährlich, Führer zu sein. Kugeln und Verrath zielen am Ersten auf sie. Im Gefecht nimmt man vor Allem die Offiziere aufs Korn, in heimlichen Unterhandlungen be­sticht man sie, sei es mit Geld oder mit Täuschung. Dingelstedt hat über seine Zukunft, die nicht mehr ihm allein, sondern der Nation, an die er appellirt hatte, nicht minder gehörte, auf eine Art verfügt, welche die politische-Moral unbedingt mißbilligen muß.

Es liegt nicht in meinem Zweck, diese Seite der Sache, von welcher aus man Dingelstedt schwerlich entschuldigen kann, noch wei­ter zu verfolgen. Treten wir auf den psychologischen, rein menschli­chen Standpunkt, wohin sich Angriffs - und Vertheidigungslinien der Politik nicht erstrecken, so können wir uns vielleicht zu einem milderen Urtheile verstehen.

Fassen wir Dingclstedt's Persönlichkeit ins Auge. Er hat einen regen, ausgebildeten Sinn für Eleganz im weitesten Begriff. Er liebt das Propre, Glänzende, Herausgekehrte, die Feinheit in der Le­bensweise und im Umgang. Dabei beriefen ihn Talent und Kennt­nisse zu umfassenderen Aufgaben, als denen der Lehrcrstelle im ein- samen Fulda. Er reiste, und das Gewaltige, was in den Welt­städten, wie Paris, London, Wien, auf den Sinnenmenschcn über­wältigend, auf den gebildeten Geist aber so gedeihlich wirkt, mag in Dingelstedt die Unlust, in die Klemmen des Spiesibürgcrthums zu­rückzukehren, vollendet haben. Dazu das gerechte Selbstbewußtsein, welches ihm der Ruhm seines Nachtwächters - des Schnippchens,