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kann. Der burschicose Geist verliert sich immer mehr. Wie die bnr- schcnschaftlichcn Ideen überhaupt, seit sie vom Staat selbst, ihrem Kerne nach, anerkannt oder bekannt werden, sich in gesetzliche und loyale verwandelt haben, so ist auch der burschicose Studcntcngcist ein mehr bürgcrthümlicher geworden. Die Jugend beginnt, die ihr natürliche Stellung als Jünger und Novize des politischen Lebens einzunehmen, statt übermüthig opponircn und von ihrem Standpunkt aus umwälzen zu wollen. Und je mehr der Philister wieder zum Bürger wird, desto mehr wird sich die Jugend ihm anschließen, desto besonnener und in ihren Ansichten praktischer wird sie selbst werden. Und das sollte so gefährlich sein?! —
— Herr von Haber befindet sich, nach neuern Nachrichten, nicht in Paris, sondern an der holländischen Grenze, wo er Gölcr's Bruder zum Duett erwartet; vorher, sagt man, will er sich vor die Assiscn von Alzcy stellen, um über den blutigen Zwcikampf, in welchem er Sarachaga erschoß, Rechenschaft abzulegen. Gölcr's Bruder war schon vor Sarachaga mit ihm engagirt; vielleicht sind es Andere auch noch. Herr von Haber scheint übrigens am Ducllircn Geschmack bekommen zu habcn. Und warum nicht? Das Pistolenschießen ist auch eine Kunst; und wenn man es zur Virtuosität darin bringt, wie manche Cavalicrc, sogar eine ehrenvolle, schöne und nützliche Kuust. Manche behaupten, nur die Verzweiflung habe dem Hcrvn von Haber Mutl, zum Zwcikampf mit Sarachaga gegeben. Eben so gut könnte man sagen, nur die Einbildung, einen furchtsamen, ungeschickten, in jeder Hinsicht »»ebenbürtigen Gegner vor sich zu haben, flößte Sarachaga den Uebcrmuth ein, den er vor und bei dem Duell zeigte. Mit dem Duellmuth, als Prüfstein der Ehre, ist es überhaupt eine eigene Sache. Aus kaltem Pflichtgefühl schießt man sich selten auf Leben und Tod, sondern meist aus verzweifeltem Haß, aus stumpfer Gleichgiltigkcit gegen das Lebe», oder, wie manche Kavaliere, ans Vertrauen auf die Ungcschicklichkcit dcs Gegners. Nun kann aber auch ein von Haber im Schießen Virtuose werden und durch Gewohnheit Muth bekommen. Ja, es wäre sogar möglich, daß am Ende der jüdische Bankier, ohne es zu wollen, ein ducllwüthigcr, rauflustiger, echter Kavalier würde. Das wäre für das badische Offizicrcorps und für die badische Vollblut- aristokratie ein neuer Acrgcr. Vielleicht würde das Ducllircn dann nicht mehr für nobel, sondern für gemein und schmuzig angesehen. Auf solche oder ähnliche Weise könnte es geschehen, daß einmal der Zwcikampf aus der Mode käme.
Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andra.