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weiter, kommt zu einem Einsiedler und auch dessen, längst in frommen Liebern eingewiegtes Herz erwacht bei ihrem Anblick und geräth mit
Gott und Welt in Streit. Während dessen aber zieht Herr Aechtex auch in der Irre herum, sein Lieb zu sucheu. Ex baut sich ein Schiss und fährt den Rhein hinab.
,,O Rhein, was klingt dein Name hold, Gleich einex Glocke hell von Gold. O fließe fort in stolzer Ruh, Taufwassex deutscheu Volkes du!" Ex besteht dann alle Gefahren auf dem Rhein. Seiu Schiff sinkt und unten auf dem Boden des Stroms betritt er die Niren^ stadt. Ueberall aber wahrt ex sein Herz und bleibt der ersten Liebe treu, bis ein großes Turniex sie Beide vereinigt. Alle diese Sccnen sind eben so reizend wie kindlich schön. Ton und Inhalt, Stimmung des Dichters und sein Stoff erscheinen hier in einer vollendeten Har-- monie. Es hat mich in der That überrascht, daß es einem Poeten von heute möglich ist, einen mächtigen Zaubex dex Unschuld übex uns walten zu lassen.
Sie sehen, meine Freundin, ich habe mich nicht wohlseil gefangen gegeben. Dem Dichter selbst, wiederhole ich, ist es nicht leicht geworden, füx die schlichte Einfalt seiner kunstlosen Ro- mantik den rechten Ton zu finden. Tieck rief für seine Märchen die Mustik dex menschlichen Seele zu Hilfe, seine Romantik buhlte mit den Dämonen des Gemüthes, seine tiefere Poesie schwelgte in Himmel und Hölle, er versetzt uns, wie mit einem Zauberschlage, in seine geheimnißreiche Märchenwelt. Zedlitz ist keuscher, er ist kind- lich und naiv, und. das scheinbar Einfachere steht dem Sinne un- seres Zeitalters ferner. Hat er aber die ersten Hemmnisse überwuu- den, dann athmet seine Dichtung eine Frische, eine Anmuth, die fein ,,Waldfräulein" den schönsten Werken deutscher Literatur anreiht.
Auch die Prosa von heute gibt uns Zeugniß von einer unge- ahneten Unschuld des Geistes. Es ist wiederum ein Dichter aus den österreichischen Landen, dem dies möglich war. Ich meine Io- seph Rank's ,,Vier Brüder aus dem Volk". Der Verfasser nennt seine Darstellung einen Roman ans Oesterreichs jüngsten Tagen uud will damit andeuten, daß Alles, was er schildert, Erlebniß ist, daß seine ganze Scenerie sich der Welt der Wirklichkeit getreulich anschließt.