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Deutsche Taschenbücher : Rheinisches Taschenbuch für 1842 H herausgegeben von Dr. Adrian.
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nnd glücklich, die Bewegung rasch, die Schilderung ansprechend, voll lebendiger Züge und Farben.

St. Hubertustag, Novelle von L. Storch, ist eine complicirte und spannende Familiengeschichte, mit jener Geschicklichkcit angelegt nnd be­rechnet, die bei Romanen, deren Motive Schuld, Fluch, gespenstische Ein­wirkungen, Träume, Rache und Schicksal sind, in die Stelle des freien dichterischen Ergusses zu treten pflegt.

Aus einem furchtbaren Frevel, den ein hartherziger Baron und Waidmann, an einem Bauer, wegen Wildschießens, verübt hat- ent­springt ein Familienfluch, dessen zahlreiche Opfer am St. Hubcrtustage dem rächenden Dämon verfallen. Die Reihe derselben schließt Emil, ein junger Edelmann, den wir den Helden der Erzählung nennen wür­den, wenn dazu in ihm eine Anlage wäre. Am Tage vor seiner fest­gesetzten Vermählung erreicht ihn das Geschick. Indeß erleidet seine Geliebte dadurch keinen Verlust; sie empfand mehr Mitleiden und freund­schaftliches Zutrauen als Liebe zu dem von Schwermuth und Lebensnnlust geplagten, weichherzigen Jüngling, dessen ganzes Sein sich auf kränkliche Weise an ein weibliches Wesen klammert, nicht mit dem Gefühl, das­selbe beglücken zu können, sondern von dem dunkeln Verlangen getrieben, für das sonst farblose Leben irgend einen festen Halt zu finden. Sigis- munde liebt den Grafen Born, und nachdem alle dunkeln Mächte das Feld geräumt haben, wird sie seine glückliche Gemahlin. Die gelun­generen Partien der Erzählung sind die Spuckscenen im Schlosse Tannen­forst. Auf dergleichen, wie es scheint nie abzunutzenden Effekten, beruht größtcntheils das Interesse dieser übrigens mit viel Gewandtheit gearbei­teten Novelle. An treffenden Schilderungen fehlt es nicht. Doch ist der Eindruck der Geschichte mehr peinigend als anziehend. Alles das Unge­mach, welches die Familie des Barons betrifft, ist Folge der Schlech­tigkeit, der rohen Willkühr, gemeiner Tyrannei; nicht ein mächtiges Gefühl, nicht eine gewichtige Individualität, welche uns dem drückenden Mitleiden enthübe, womit wir den Begebenheiten zu folgen gezwungen sind. Die edle Figur des Stricks ist der Graf; aber dieser glückliche Schlußhcld ist von Anfang an so fertig, so abgeschlossen, so ein bloßer Mann der Welt, in alles von vorn herein sich schickend, daß er keine große Theilnahme erwecken kann. Emil ist eine unschuldige, aber be­trübte Natur; er ringt nicht einmal mit seinem Geschick; er erliegt ohne Kampf und Entschluß. Wie kann eine solche Fignr den Dämon zur Ruhe birngcn? Die bloße Fatalität, die uns mechanisch faßt, gehört