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Die Abdankung Kaiser Heinrichs des Vierten.
Aus dem Trauerspiele: Kaiser Heinrich der Vierte, von
Tb. Schlievbake.-»)
Wenige unter den ältern deutschen Fürsten leben so im Munde des Volkes, wie Kaiser Heinrich der Vierte. Die Kämpfe und Irrthümer, der Wechsel von Macht und Noch, die harte Züchtiguug und endlich der Sieg uud Tod dieses Herrschers, den man vorzugsweise den leidenden und ringenden Kaiser nennen könnte, sind nicht weniger in örtlichen Sagen, Denkmalen und Erinnerungen, als in den Geschichtsbüchern des Mittclaltcrs — dieser Heldenzeit des deutscheu Volks — aufbewahrt. Selbst in Volksbüchern, worin man die Thaten und Erlebnisse dieses zugleich so glänzend und so bedenklich begabten Mannes als Quell zu Beispiel und Warnung zu benutzen Pflegt, steht die Gestalt Heinrichs des vierten, wie keine andere, als Gegenstand der Theilnahme und des Mitleids. Die verschiedensten Gefühle durchdringen uns bei dem Anblicke der Größe und des Unglücks, der Herrlichkeit uud des Sturzes, der tiefsten Zerknirschimg und des endlichen, von Sieg begrüßten Abschiedes dieses schwer geprüften Geistes. Dergleichen Loose fallen in der Geschichte nur außerordentlicheil Naturen. Wäre Heinrich der vierte ein gemeiner Tyrann, ein eigensinniger Despot gewesen, wofür man ihn, nach äußern Thatsachen und einzelnen Momente» schließend, öfters allein genommen hat, so möchte wohl der größte Papst des Mittelaltcrs einen leichtern Stand gegen ihn gehabt haben. Die Geschichtsforschung hat Heinrichen längst Gerechtigkeit widerfahren lassen. In Ludens Büchern über deutsche Geschichte ist der Charakter dieses Kaisers, gewiß mit ebenso viel Wahrheit als mit neuen Ausschlüssen, gezeichnet.
Die ganze Geschichte Heinrichs des vierten ist voll erschütternder Momente, voll großer Wendungen des Schicksals. Allein der tragische Brennpunkt derselben bricht erst am Ende hervor; alle Fäden in denen das Wirken
Der Verfasser dieser verdienstvollen, an blühender Rede und poetischer Charakteristik reichen dramatischen Dichtung, lebt in Brüssel, wo er als Professor der Geschick te der Philosophie an der dasigen Universität, in der Verbreitung und Gcltcndma- chung deutscher Wissenschaft und deutschen Geisteslebens, einen schönen und erfolgreichen Wirkungskreis gefunden hat. D. Sied.