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Reisebriefe. 3.
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er noch ei» guter Patriot und hat Weltkenntniß. Ich habe eine glückliche Stunde mit ihm verbracht und die ganze Nacht darauf nicht geschlafen-

Eine Frage beschäftigte mich sehr, als ich den Rhein hcrabfuhr. Wie kömmt cS, daß die schönsten Städte grade auf dem linken Rhcinnfer liegen. Für einen Gelehrten gäbe das Stoff und Gelegenheit zu einem dicken Buche.

ES sind gerade drei Monate als ich Paris verließ; instinktmäfiig trieb michs nach Deutschland. Andere mögen nach Italien, nach der Schweiz reisen. Ich suche weder Berge, noch schöne malerische Punkte, noch Alterthümer, Menschen suche ich, und in ihnen Geist, und im Geiste Bewegung; denn die Bewegung ist das Element des Geistes, ist seine Nuhc, so wie das Wiegen dem Kinde, so wie der Fisch mir in dem Heben und Schweben der Welle sich ergötzt und sich behaglich fühlt. Wo Menschen und Geist sind, dn ist alles schön, ein Stück Holz, ein Galgen wird znm Tempel, zur Fahne der Menschheit, wenn ein JcsuS daran stirbt. Der Mensch heiligt AllcS; Gott wäre Gott nicht, hätte er nicht den Menschen erschaffen, damit er ihn lobe, mit ihm aber auch streite und kämpfe. Ja, es scheint vielmehr, als schuf er ihn nur, um mit ihm zu kämpfen, was so schön und so oft in der Bibel angedeutet ist.

Die politischen Diskussionen über Frankreich, haben in Deutschland einen nusichcm Boden, wahrscheinlich wegen der Phrasenhaften Corrcspoudcnzartikel, womit die deut­schen Journale von hier aus, fast von lauter Handlangern, angefüllt sind, man sieht weder die Lage Frankreichs, noch die soziale Bewegung darin mit rechten Augen, und hält die DcbatS für ein Orakel. Ich habe es oft schon gesagt, daß die wahren In­teressen Frankreichs gar kein Organ haben, weil die großen Journale alle egoistischen Zwecken dienen.

Man machte Deutschland bisher den Vorwurf, daß es unpraktisch und iräumcrisch sei. Wie fand ich es verändert. Mir wnrde vor lauter Praxis und Industrie schwind­lig. Ich gehöre zu den Poeten, über die sich List mit schneidender Ironie lustig macht. Aber nachdem ich drei Monate dort war, wurde ich ein ganz anderer Mensch. Ich sprach von nichts als von Baumwolle, vom Zollverein, von der Landwehr, von einer deutschen Flotte, von den Eisenbahnaktieu, von Holland, wegwar die Poesie, verschwun­den die Literatnr, verdammt die Kunst, verstoßen die Musik, vergessen die schönen Mäd­chen am Rhein, ich war ganz Banmwolle. Wie schmeckte Ihnen die Küche in Frank­furt? fragte mich Einer. Ach, versetzte ich, fürchten Sie nichts, die Deutschen werden den Franzosen nicht die geringste Conzession machen, um das Schlachtvieh einzu­führen. Die Consnmation des Fleisches ist enorm seit der Rhein-Schleppschiff- Dampffahrt ich sprach dies ganz richtig aus.

In Elbcrfeld, die schönste Stadt, die ich ans meiner Reise gesehen, sagte mir ein Bibclvcrkäuscr, den ich barsch abwies: Mensch, wenn Du Dich erzürnen willst, war­te noch eine halbe Stunde! Ein herrlicher Spruch; ich werde diesen Spruch in Zukunft so anwenden: Mensch, willst Du langweilige Notizen schreiben, warte noch eine halbe Stunde!