Reisebriefe
von
A. Weill.
3.
Paris.
Ist es gut zu reisen oder nicht? fragte man einst Rousseau. — Darauf, versetzte er, kann ich nicht antworten, fragen Sie mich aber, ob es gut sei gereist zu haben, und ich antworte Ihnen kühn mit einem Ja. Ich möchte dasselbe von Deutschland sagen, wenn man von Paris dahin und von dort aus wieder zurück geht. Nicht alle Bemerkungen, die man macht, erfreuen das Herz; das Feuer, das leuchtet und erwärmt, brennt auch sehr oft. Hier sieht man die Vortheile Deutschlands, in Deutschland die Frankreichs, nud namentlich der Stadt Paris. Aber gut ist es, wenn man von Zeit zn Zeit sich aus dem gewöhnlichen Schlendrian des materiellen und geistigen Lebens einer Nation herausreißt, um sich in einer anderen Sphäre zu bewegen. Der Geist gewöhnt sich nur zu leicht an die DenkungSart seiner anregenden Umgebung. Der Geist soll und muß reisen, eher noch als der Körper, sonst wird er zum Sklaven der Vorurtheile, zum Despoten seiner Umgebung, besonders so lauge Bücher und Zeitungen nur eristiren, um das, was man denkt, unter Phrasen zu verberge«. Ich weiß nicht, ob es gut ist in Dentschland zu lcbcu, aber cS ist gut darin gelebt zu haben, ich möchte noch hinzufügen, es ist gut, darin zu sterben.
Das Erste, waS dem Reisenden aus Frankreich in Dentschland auffällt, ist das Langsamfahrcn der Posten. Schon im Elsaß fühlt man das. Man steht gleich, daß man im Lande der Vorsicht ist, fast hätte ich gesagt der Vorsehung.
DaS Zweite ist die Frische ans den Gesichtern der jungen Welt; besonders der Mädchen. Dagegen bemerkt man zugleich, daß die Frauen ansfallcnd sich vernachlässigen. Es ist einem deutschen Weibe fast unmöglich sich als Mädchen auszugeben. In Frankreich ist man gewöhnt, alle Mädchen !> i»'i»>'i mit Madame anzusprechen, und die Weiber werden umgekehrt wie Mädchen behandelt.
Bei den Männern in Deutschland fällt es auf, daß sie entweder geputzt oder nachlässig gekleidet gehen, in Frankreich ist man nie geputzt, aber immer elegant gekleidet.