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Wahrlich eine Erscheinung, wie sie nur die moderne, von tausend und tausend Widersprüchen durchwogte Zeit hervorbringen kann.
Wir sind eben kein Partisan der politischen Ideen, sür welche Fürst Mir Lichnowskv seinen Degen umschnallte, und seine Verehrung sür den »/König" Don Carlos findet bei uns so wenig Echo, als sie bei der Mehrzahl der Zeitgenossen finden mag; aber darum tonnen wir doch unsere Theilnahme einem Manne nicht entziehen, der eine Sache für die er gefochten, auch nachdem sie schon verloren, mit offenem Wort uud freiem Muthe vertritt.
Lassen wir den Charakteren Gerechtigkeit widerfahren, und zerstören wir uns nicht die Eindrücke einer ritterlichen Persönlichkeit, weil sie nicht unter derselben Fahne mit uns steht. Der Schriftsteller Felir Lichnowskv ist ohnstrcitig eine anregende und glänzende Erscheinung. Eine blühende Darstellung, frische Phantasie, kecker Jugcndmuth und ein hervorspringender Hang zum Abentheucrlichcn, Nonmntischen und Verwegenen sind die Eigenschaften, die seinen, Buche Reiz und Anziehungskraft geben. Ein Theil dieser Erinnerungen ist in der allgemeinen Zeitung abgedruckt gewesen, allein der Verfasser scheint vieles daran geändert zu haben; der journalistische Stempel ist nirgends heraus zu finden. Vielmehr spricht aus den: Buche ein Geist der Jugendlichkeit, als der vollständigste Gegensatz jenes diplomatisch oder publizistisch steifen Redctons unserer Journalistik. Auf jeder Seite sieht man hier einen erregten jnngcn Man», der Freude an dem Leben, an der Natur, an sich selbst hat. In einzelnen Kleinigkeiten kann man sich sogar des Lächelns nicht enthalten. So z. B, wenn der Verfasser mit naivem behaglichen: Wohlgefallen bei seiner jedesmaligen Toilette verweilt und nie unterläßt, uns genau die Details derselben zu beschreiben.
„Am 5. Morgens vier Uhr weckte mich die Tochter meines Gm'dcn mit einer Tasse Chocoladc. Dieß war der erste Vorgeschmack spanischer Kost. Kurz darauf trat er selbst ein, mein neues Costüm unter dem Arme. Ich fuhr in ein weites Beinkleid von Wollsammct, an der Hüfte durch eine breite rothe Binde gehalten, zog dicke Buntschuhe, blaue Strümpfe und eine kurze Jacke von braunem Tuche an und bedeckte mich mit dem berühmten baski- schcn Barette, Boina genannt. Die Boina, zur spanischen Hoftracht im 46. Jahrhundert gehörig, war mir aus den Gemälden von VelaSauez und Ti- tian bekannt; sie ist seitdem nicht verändert; nun das Feldzeichen der Car- listcn, schien es mir eine Art feierlicher Investitur, als ich sie zuerst auf mein Haupt drückte.---„
„Tags nach meiner Ankunft in Andoain begab ich mich in die Messe; es war Sonntag den 12. März. Umgeben von Garden und Gefolge, an, Thore von der Geistlichkeit empfangen, trat der König in die Kirche und