Beitrag 
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben : 9. Meister Stüwe erzählt seine Geschichte.
Seite
331
Einzelbild herunterladen
 

Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.

331

Vorwärtsstreben. Ein so tüchtiger Meister wie ich müsse heraus cius der engen Querstraße, wo er versauere und es nie zn etwas Gescheitem bringen werde. Ich müsse einen Laden aufmachen nnd das Geschäft fabrikmäßig betreiben; dann würde ich doppelt verdienen, als Stoffhändler nnd als Schneider, uud könnte die Gesellen für mich sich quäle» lassen. Das klang vortrefflich, und nicht minder vor­trefflich war es, daß mein Freund zufällig ciu famoses Haus am Markte wußte, das sich auf zehntausend Thaler reutirte und augenblicklich für achttausend zu habeu war. Ich beginge eine Thorheit an mir uud eine Sünde an meinen Kindern, wenn ich nicht zngriffe. Aber ich müsse eilen, denn ein Konkurrent handle scharf um das Grundstück.

Es nutzte nichts, daß ich mich sträubte und auf meine geringen Mittel hinwies. Mein Freund erbot sich, mir Kredit zn geben; er kannte mich als einen ehrlichen Mann, uud einem solchen half er gern. Es war nicht möglich, ihn und sein Geplapper wieder los zu werden: er kam des Morgens, er kam am Abend und redete unverdrossen, bis ich endlich soweit nachgab, das Hans mit ihm zn be­sichtigen. Ich wurde den Mietern, ehe ich ein Wort gesagt, sogleich als der neue Wirt vorgestellt; wenn ich ein Bedenken äußerte, widerlegten mich gleichzeitig drei, daß mir der Kopf vom Hören wehthat. Am nächsten Morgen war mein Freund wieder bei mir und setzte seine Bemühungen fort. Kurz nach ihm kam jemand, der mir für das Land znm Hause zwanzig Thaler mehr Pacht bot als es bisher brachte, nnd gleich darauf ein Brief des alten Besitzers, der mir schrieb, die gestrigen Abreden seien ihm leid, da man ihm von andrer Seite eben eine bessere Offerte gemacht habe. Was soll ich die Komödie noch weiter erzählen: am Nachmittage waren Grete und ich mürbe, und ich unterschrieb den Kontrakt, durch den man mich zum Eigentümer des Hauses machte. Die Bedingungen schienen durchaus günstig für mich; ich zahlte fünfhundert Thaler baar an, übernahm zwei feste Hypotheken mit sechstausend Thalern, und der Rest mit fünfzehnhundert Thalern ward auf acht Jahre unkündbar eingetragen, allerdings zu sieben Prozent.

Daß dieser Kontrakt mich zum Habenichts machte, meinem Frennde aber die Frucht unsrer zehnjährigen Arbeit und den Erbanteil dazu in die Hände spielte, indem der Vorbesitzer nur siebentausend Thaler erhielt und froh war, das Haus dafür los zu werden, wußte ich damals leider nicht.

Mit den Gerichtskosten und der Ladeneinrichtung ging der Rest meines Baar- vcrmögens drauf. Ich war nun nicht mehr Schneidermeister, sondern Kleider­fabrikant. Mit goldenen Lettern stand es über der Thür inwendig führte frei­lich Schmalhans das Regiment. Ich mußte ein Stofflager halten; mein gütiger Freuud trat für mich ein und wies mir eine Firma nach, dir mir kreditirte, und er sagte gut für mich, ohne einen Pfennig für sein Risiko zu beanspruchen. Aber die Uneigennützigkeit hatte tiefere Gründe; die empfohlene Firma zahlte meinem Freunde zehn Prozent Provision für meine Aufträge, sodaß ich für hundert Thaler nur neunzig Waarenwert erhielt, der Wechselzinsen nicht zu gedenken.

So fraßen trotz reichlicher Arbeit das Kaufen auf Borg, die größcrn Wirt­schaftskosten, die Zinsen des überschuldeten Grundstücks, und nicht zu vergessen das Grundstück selbst, den besten Teil meines Verdienstes weg. Als man mir das Haus anpries, hatte es alle möglichen Vorzüge; als ich hineingezogen war. kamen die Mängel an allen Ecken uud Enden zum Vorschein. Die Mieten gingen für Reparaturen drauf, und ini Frühjahr mußte ich neu dielen und unterkellern, um dem Schwämme zu wehreu. Mitten im Bau kündigte mir der Inhaber der zweiten Hypothek seine dreitausend Thaler. Ich war in arger Verlegenheit. Aber