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Auch ein"'deutscher Literarhistoriker.
Volkslieder bis in die ältesten Zeiten hinaufgreifen, so weisen die Völker untereinander ähnliches im Volksliede auf." Wie muß es in dem Kopfe dessen aussehen, der solch unenträtselbare Orakel nicht bloß auszudenken, zu sprechen, zu schreiben, nein, auch drucken zu lassen imstande ist! Ein andermal liegt Herrn Weddigen etwas „über den nächsten, durch Freude und Gesang auszufüllenden Horizont hinaus." Seite 29 ist zu lesen: „Die mündliche Fortpflanzung der Poesie gestattet uns (!) ein allmähliches Wachstum." Hoffentlich auch der Selbsterkenntnis des Herrn Weddigen. Vorläufig sind die Aussichten dazu freilich recht geringe. ^Das „uns" ist wohl Druckfehler für „nur." D. Red.^I Von sehr wenig entwickeltem Geschmack in literarischen Dingen zeigt es, wenn der Verfasser in stetig sich wiederholenden Anmerkungen bei allen möglichen und unmöglichen Anlässen und jedesmal mit größter bibliographischer Genauigkeit die Titel seiner übrigen zahlreichen Schriften vorführt, die zum großen Teile nicht gelesen zu haben man, nach der Lektüre dieses Buches, sich zu ganz besondern: Glücke anrechnen muß. Solche Anmerkuugen sieht Herr Weddigen dann als sichere Schlupfwinkel an, von denen aus er einem mißliebigen Rezensenten meuchlings einen Fußtritt versetzen kann. So nennt das Quellenverzeichnis ganz überflüssigerweise einen von Herrn Weddigen im Verein mit einem Herrn Hartmann kürzlich herausgegebenen Sagenschatz Westfalens, überflüssig deshalb, weil die reiche Volkssagenliteratur sonst gar keine Berücksichtigung erfährt und auch in der Darstellung in keiner Weise benutzt ist; Herrn Weddigen freilich schien das garnicht überflüssig, sondern höchst notwendig, um daran eine Anmerkung von einer halben Seite anschließen zu können, welche die Empfangsbescheinigung einiger lobenden Besprechungen jenes Werkes liefern soll. Diesen günstigen Beurteilungen in Zeitungen und Blättern wie der „Europa" und ähnlichen berühmten Stimmen wird dann die „einer geifernden Unkenstimme in einer sonst so »noblen« Zeitschrift, der Deutschen Literaturzeitung in Berlin," entgegengehalten, auf daß der unglückliche Besitzer dieser Unkenstimme — es ist Elard Hugo Meyer — reuig seine Verdorbenheit bekenne. Herr Weddigen nennt ihn „Herrn Mayer (?!) in Freiburg i. B." und will durch Weglnssung der Vornamen und durch die eingeklammerten Frage- und Ausrufezeichen seiner tiefen Geringschätzung dieser Persönlichkeit Ausdruck geben, bei dem ahnungslosen Leser aber den Schein erwecken, als ob ein beliebig hergelaufener Herr Mayer sich erdreistet hätte, über Herrn Weddigens Buch ein Urteil zu fällen. Sollte die zweimalige Wiederkehr der falschen Schreibung Mayer statt Meyer, welche die Annahme eines Druckfehlers nicht zuläßt, vielleicht in der Absicht erfolgt sein, auch den Kundigern irrezuführen? Wir nehmen lieber die gelindere Schuld an, daß E. H. Meyer, einer unsrer wenigen gediegnen Mythenforscher — es giebt deren in Deutschland kein halbes Dutzend es bisher noch nicht dahin hat bringen können, zu den von Herrn Weddigen gekannten Gelehrten zu zählen. Herr Weddigen, der große westfälische Sagen-