Die Hildebrand-Ausstellung in Berlin.
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äußere Gebundenheit besonders auffällig; es handelt sich ja hier im wesentlichen um monumentale und dekorative Aufgaben, die von dem Bedürfnisse des modernen Lebens in überreichem Maße gestellt werden; der Lösung dieser Aufgaben gewachsen zu seiu, wird zum Ziele der Entwicklung; hier hört diese auf, und die Thätigkeit beginnt; der Künstler sieht sich in Aufgaben über Aufgaben verwickelt, von denen er sich sagen muß, daß sie ihn künstlerisch um keinen Schritt fördern; er thut dem Verlangen des Publikums Genüge, sich selbst Genüge zu thun, findet er keine Gelegenheit mehr. Freilich fehlt es auch nicht an einer Auflehnung gegen den Druck solcher mißlichen Zustände. Um den Gefahren zu entgehen, die aus jeneu Thätigkeitsbedingungen sich entwickelten, um nicht dem Schablonenhaften, dem Konventionellen, dem Theatralischen, dem Affektirten zu verfallen, habeu unabhängige Naturen, und unter ihnen solche von hervorragendem Talent, eine Art von verzweifeltem Naturalismus ausgebildet. Man konnte nicht radikaler zuWerke gehen, wenn man mit einer Tradition brechen wollte, durch die man sich in seiner eignen Entwicklung gehemmt sah; auch ist nicht zu leugnen, daß namentlich im Anfange eine gewisse Naturfrische und Naturfreudigkeit durch die künstlerische Produktion dieser jungen Richtung ging. Indessen war man doch nicht eigentlich von einem natürlichen produktiven Bedürfnis, sondern von einem Widerspruch ausgegangen, und jedenfalls hatte man die „Rückkehr zur Natur" etwas zu leicht und oberflächlich gefaßt. Man meinte, sich der Natur bemächtigen zu können, indem man sich einzelner letzten Elemente versicherte, auf denen der Reiz ihrer Erscheinung beruht, indem man sie da wiederzugeben suchte, wo sie sich am zufälligsten darstellt. So war man freilich bald an das erstrebte Ziel gelangt. Was man gesucht hatte, hatte man aber nicht gefunden; man mußte sich eiugestehen, daß eine Entwicklung zur Natur auf diesem Wege nicht weiter möglich sei, und daß man, wenn man jenen Gefahren entgangen war, nun seinerseits vor nicht geringeren stand, vor denen der Übertreibung, der Verweichlichung, der Haltlosigkeit, der Verzerrung.
Wer nun jene Erstlingsarbeiten Hildebrands mit künstlerischem Verständnis betrachtete, der mußte sich sagen, daß hier weder eine Anlehnung an so bedenkliche Richtungen, noch auch ein Widerspruch gegen dieselben vorlag; offenbar war es dieser Natur von vornherein gegeben gewesen, sich ohne jegliche Voreingenommenheit, ohne jegliches gesuchte und absichtliche Wollen der sichtbaren Welt gegenüber zu stellen; offenbar hatte sie keinen andern Trieb empfunden, als in allmählichem und konsequentem Fortschritt jenes unmittelbare Erscheinungsbild des Lebens thätig schaffend mehr und mehr zu verwirklichen. Es würde dies ja nichts der Bewunderung wertes gewesen sein, lebten wir in einer der sogenannten guten Zeiten der Kunst; schwerlich würde damals jemand den Namen eines Künstlers haben beanspruchen können, der andre Ausgangspunkte und andre Ziele gehabt hätte. Heutzutage ist es eine überraschende Erscheinung,