Der jDrozeßbetrieb durch die Parteien
im Iivilrechtsstreite.
S ist in diesen Blättern vor kurzer Zeit auf den zweifelhaften Wert hingewiesen worden, welchen eine doktrinäre Durchführung des Prinzips der Mündlichkeit im Zivilprozeßverfahren für die rechtsuchenden Parteien nach sich ziehen kann. Eine unzweifelhaft nachteilige Einrichtung ist wohl die ebenfalls durch die deutsche Zivilprozeßordnung eingeführte des sogenannten unmittelbaren Prozeßbetriebes durch die Parteien.
Je nachdem die zur Gcschäftsvermittlung unter den Parteien wie zwischen dem Gerichte und den Parteien (dem Zustellungs-, Ladungs- und Jnsinuations- geschäft), sowie die behufs der Vollstreckung der richterlichen Urteile erforderlichen Prozeßhandlungen grundsätzlich in die Hand und Leitung der Gerichte gelegt oder dem direkten Betreiben der Partei mittelst eigner Verantwortlicher Organe überlassen sind, wird zwischen Offizialbetrieb des Prozesses durch die Gerichte uud unmittelbarem Prozeßbetrieb durch die Parteien unterschieden. Vor Einführung der deutschen Zivilprozeßordnung waren beide Systeme in den verschiednen Prozeßordnungen der deutschen Staaten vertreten. Als Hauptvertreter des Offizialsystems sei hier die preußische allgemeine Gerichtsordnung genannt, welcher sich Würtemberg, Baden, Braunschweig, Oldenburg, Lübeck anschlössen; der Parteibctricb hatte Geltung hauptsächlich im Gebiete der bairischen Prozeßordnung. Der letztere ist eine dem französischen Rechte entnommene Einrichtung, welche im ooäs äs xroosäurs in voller Schärfe durchgeführt ist. Die Gerichte sind nach dem Systeme des 00Ä6 im großen und ganzen nur Spruchgerichte, welche in bestimmten Sitzungen den darin erschieneneu Parteien nach Anhörung ihrer Vortrüge und Anträge Recht sprechen. Der Richter antwortet gewissermaßen den Parteien nur auf ihre Fragen; „er antwortet — wie ein Rechtslehrer sagt — erschöpfend, wenn die Fragenden erschöpfend fragen; antwortet ausweichend, wenn wenigstens einer der Fragenden erst um eine vorläufige Antwort bittet; kümmert sich um alles weitere nicht und wiederholt seine Antworten, so oft man ihn darum begrüßt, thut nie mehr, nie weniger." Jeder Spruch, auch der bloß präparatorische oder Beweisführung anordnende, löst die Verbindung des Gerichts mit dem anhängigen Rechtsstreite, die Parteien müssen, um den Rechtsstreit fortzuführen, die Sache erst wieder auf die Rolle und dem neu angegangenen Richter den Spruch des frühern in Ausfertigung bringen.