Die Künste der Fälscher.
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über dieselbe anzugeben, als den Namen jenes Mitgliedes der ^vaäoinis äss InseriMons zu nennen, welches die Buchstaben N. ^. v. v. (NoutarÄs ^g-uns äs vtjvir) auf einem Senftopfe NaMv ^vvi vsorum voo gelesen haben soll. Man möchte dergleichen Geschichten daher samt und sonders in die Kategorie der Treppenwitze verweisen, insofern die Erfinder sich den mystifizirten Gelehrten hinzugedacht hätten, lehrte nicht das fatale Abenteuer des Akademikers Michel Chasles, wie weit die Verblendung gehen kann. Die Sache ist erst fünfzehn Jahre alt und dürfte den meisten Lesern noch soweit in Erinnerung sein, daß es nicht notwendig erscheint, sie hier mit der Ausführlichkeit zu besprechen, wie Eudel es auf Grund der Gerichtsverhandlungen und der damals erschieneneu Broschüre „Affaire Vraiu-Lucas" thut. Aber wie sie entdeckt wurde, das wird, wenn wir nach uus selbst urteilen dürfeu, den meisten entfallen sein, und gerade das ist charakteristisch. Der Mathematiker Chasles, ein Verwandter des einst so fruchtbaren Geschichtschreibers Philarete Chasles, glaubte beweisen zu können, daß nicht Newton, sondern Blaise Pascal der Entdecker des Gesetzes der Schwere sei, und legte zum Beweise einen Briefwechsel zwischen beiden aus dem Jahre 1654 vor. Sofort wurde geltend gemacht, daß Newton damals elf Jahre alt gewesen ist und etwa ein Jahrzehnt später seine Studien über den Gegenstand begonnen hat, daß die angebliche Handschrift Paseals mit seiner authentischen nicht übereinstimmte, daß in einein Briefe von Kaffee gesprochen wird, welcher erst nach Paseals Tode nach Frankreich gebracht wurde, und endlich entdeckte ein französischer Gelehrter, Faugere, daß ganze Sätze der Briefe aus gedruckten Büchern abgeschrieben waren. Indessen erschütterte alles dies Chasles' Glauben nicht, mehr noch, Männer wie Thiers und Elie de Beaumont ergriffen seine Partie — aus Chauvinismus; „denu man ist im Institut sogut wie anderswo Chauvin," sagt unser Autor. Erst als bekannt wurde, daß die wichtigen Briefe einer umfangreichen Autographcnsammlung angehörten, in welcher sich auch vollständige eigenhändige Schreiben von Moliere, Rabelais, La Bruyere, Montesquieu, Notrou, Shakespeare (lauter Seltenheiten ersten Ranges), ja sogar von Alcibiades, Alexander dem Großen, Julius Caesar, Vcrcingetorix, Klcvpatra, Maria Magdaleua, Lnzarus, Jndas Jscharioth, Pontius Pilatus, Belisar, Karl dem Großen u. s. w. befanden, alle in französischer Sprache abgefaßt: erst da streckten die Verteidiger des Gelehrten die Waffen, und ihm selbst fielen die Schuppen von den Augen. Alle diese Schütze hatte ein gewisser Vmin-Lucas angeblich in dem zurückgelassenen Archive eines Emigranten entdeckt, sie nach und nach an Chasles für beinahe 140 000 Franks abgetreten; als in dem letztem einmal Zweifel aufstiegen, schlug der Fälscher sie durch die kecke Forderung nieder, den ganzen Handel rückgängig zu machen. Ju dem nun angestrengten Prozesse suchte der Verteidiger den armen Chasles als den eigentlichen Schuldigen hinzustellen, der weder die innern noch die äußern handgreiflichen Kennzeichen der Fälschung (Sprache, Papier, Wasserzeichen :e.) beachtet und