Beitrag 
Das Werk Salzmanns.
Seite
410
Einzelbild herunterladen
 

410

Das Werk Salzmanns.

Salzmcmnschen Gottesverehrungen wie Lieder aus der grauen Vorzeit klingen. Übrigens widerspricht es auch dem von Salzmann an andern Stellen so aus­drücklich betonten Grundsatze, vom Konkreten zum Abstrakten vorzuschreiten, wenn er auf religiösem Gebiete mit Natural - Religion beginnt und später erst den konfessionellen Unterricht folgen läßt.

Daß auch sonst Salzmann seiner Zeit manchen Tribut hat zahlen müssen, wird auch von seineu Freunden anerkannt. Jene Zeit wird durch eine ge- wisse naive Selbstüberschützung bezeichnet.Denke! was du erdacht hast, das ist das absolut wahre!" Einem gedankenlosen Schlendrian gegenüber ist diese AufforderungDenke" gut, aber die guten, nüchternen Herren dachten zwar, nur nicht immer allzutief. Es ist ja auch natürlich, daß ueue Erfindungen über­schätzt werden. Die damaligen pädagogischen Methoden der Philanthropen und andrer waren neue Erfindungen, und man überschätzte sie. Man glaubte in den Charakteren der Kinder Wachs zu haben, aus dem man unter Garantie des Erfolges alles mögliche machen könne. Es komme nnr darauf au, den Zögling zu isoliren und vor übelm Einflüsse zu bewahren. Salzmann spricht sich iu einem Briefe an Campe hierüber folgendermaßen aus:Exempel wirken auf Kinder beinahe mehr als Unterricht. In unsrer gegenwärtigen Lage ist es ohnmöglich, die Kinder vor allen bösen Exempeln zu verwahren. Diese richten unvermerkt wieder zu gründe, was der redlichste Vater mit vieler Mühe ge­pflanzt hat. Wenn also Kinder recht gut werden sollen, so müssen sie in gänz­licher Entfernung von der gewöhnlichen menschlichen Gesellschaft in einem Kreise von unverderbten Gespielen unter der Aufsicht moralisch guter Menschen erzogen werden. Dies könnte mit der Zeit ein Mittel werden, die Erbsünde auszurotten." Auf welch kurzsichtiger Verkennung der Kindcsnatur, ja selbst der Menschen­natur beruhen solche Ideen! Aber gerade dieser, übrigens Nousseausche Gedanke hat Salzmann veranlaßt, sein Institut in einen stillen Waldwinkel zu verlegen und währeud der Dauer der Erziehung die Verbindung des Zöglings mit seiner Familie gänzlich zu unterbrechen.

Auch die mit soviel Überzeugung vorgetragenen medizinischen Ansichten stehen auf recht schwachen Füßen. Salzmann befindet sich in Opposition mit der damals üblichen Verhütungsmethode. Währeud diese mit Schlafmütze, Pelzrock und gewalkten Strümpfen der Krankheit vorbeugen wollte, legt er allen Wert auf die Abhärtung. Merkwürdig, daß gegenwärtig derselbe Streit geführt wird: denn was will Jäger mit seiner Wvlltheorie anders, als was vor hundert Jahren von Salzmann bekämpft wurde? Höchst wunderlich ist Salzmanns Meinung über fremde Medikamente und noch wunderlicher der Vor­schlag, sich gegen Infektionskrankheiten, wie die Pocken, durch Abhärtung, häufiges Betasten und Besuchen der Kranken zu schützen. Das Bestreben, den Erwerbssinn geflissentlich zu wecken, mag in einer stagnirenden Zeit, wie der des vorigen Jahr­hunderts, am Orte gewesen sein, dürfte aber heute kaum als lobenswert erscheinen.