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Der Schriftstellerkrieg gegen die Leihbibliotheken.
einen gewissen Schutz hiergegen verliehen hatte. Hiermit verglichen ist das Verhältnis des Leihbibliothckars doch ein ganz andres. Um seiner Bibliothek eine gewisse Vollständigkeit zu geben, muß er von vornherein viele Werke bei ihrem Erscheinen ankaufen. Davon mögen sich manche, welche gut gehen, vollauf bezahlt machen. Andre aber gehen schlecht und bleiben nach kurzer Zeit als Ladenhüter stehen. Ist nach einem Buche starte Nachfrage, so ist der Leih- biblivthekar oft genötigt, dasselbe sofort in mehreren Exemplaren anzuschaffen, was doch auch dem Schriftsteller und Verleger wieder zngute kommt. Auch ist das Geschäft des Verleihens mit der genanen Aufzeichnung der aus- und eingehenden Bücher keineswegs ohne Mühe und ohne Gefahr, nnd es muß deshalb auch etwas dabei verdient werden. Aus alleu diesen Gründen haben, soweit wir die Verhältnisse überblicken, die Leihbibliotheken bisher sich keineswegs als eine solche Fundgrube deS Reichtums erwiesen, daß man daraus einen Grund entnehmen könnte, sie der Ausbeutung des Schriftstellertnms anzuklagen. Welche Schwierigkeit der Kvntrole nnd welche Fülle von Streitigkeiten überdies daraus entstehen würden, wenn man die Leihbibliothekeil einer besondern Steuer zu gunsten der Schriftsteller unterwürfe, bedarf keiner Ausführung.
Von vielen Seiten ist übrigens auch schon darauf hingewiesen worden, daß im Interesse der Schriftsteller selbst die geplanten Maßregeln von sehr zweifelhafter Natur sein würden. Die Leihbibliotheken bringen den Schriftstellern nicht bloß Schaden, sondern auch Vorteile, teils durch den unmittelbaren Ankauf der Bücher, teils dadurch, daß sie das Publikum mit den Schriftstellern bekannt machen. Ob wirklich durch die Beschränkung der Leihbibliotheken die Schriftsteller einen Mchrabsatz ihrer Werke erzielen würden, ist höchst zweifelhaft. Wohlhabende Pflegen auch jetzt schon Bücher, die ihnen wert sind, zu kaufen. Diejenigen, welche ihre Bücher aus der Leihbibliothek holen, sind der großen Mehrzahl nach die minder Wohlhabenden. ^? D. Red.j Und wenn diese für das Lesen eines Bnches — denn mehr als einmal ein Buch zu lesen, entschließen sich doch die wenigsten Menschen — vielleicht ebensvviele Mark bezahlen sollten als sie jetzt Pfennige au die Leihbibliothek bezahlen, so würden sie sich gewiß sehr besinnen. Dies umsvmchr, als ja unserm lesebedürftigen Publikum eine Unsumme von Literatur geboten wird, welche einem gleichen Aufschlage nicht unterliegen würde. Wäre eS überhaupt so einfach, das Publikum zu zwingen, mehr als es seinen bisherigen Neigungen entspricht, für Literatur auszugeben, so läge ja das nächste Mittel darin, Laß man die Kaufpreise für die Bücher erhöhte. Daß das aber keinen Gewinn bringen würde, wissen unsre Schriftsteller recht gut. Sie wollen deshalb im Gegenteil die gewöhnlichen Preise noch herabgesetzt wissen. Nur der Leihbibliothek«! soll einen erhöhten Preis zahlen uud dafür auch ein höheres Leihgeld erheben. Aber woher wisse» sie denn, daß diese Erhöhung so leicht durchzuführen wäre?
Je zweifelhafter es also ist, ob die Beschränkung der Leihbibliotheken den Schriftstellern wirklich zum Vorteil gereichen würde, umso schwerer wird das Interesse des lesenden Publiknms in die Wagschale fallen, welches doch auch ein gewisses Anrecht darauf hat, daß ihm nicht eine Quelle unzugänglicher gemacht werde, aus welcher nun schon seit länger als Menschengedenken unzählige einen wesentlichen Teil ihrer geistigen Nahrung geschöpft haben.