Der Schriftstellerkrieg gegen die Leihbibliotheken.
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in unserm Rechte gegeben? Mit dem besten Willen wüßten wir dieselbe nicht zu begründen, weder mich gemeinem, noch nach preußischem Rechte; auch nicht nach Z 25, Teil 1, Tit. 8 des Allgcm. Landrechts, auf welchen Dr. Welten bezug nimmt. Jede Klage dieser Art würde voraussetzen, daß die angeordnete Beschrankung in der Benutzung des Buches dinglich, nach Art einer Dienstbarkcit, ans dem Buche hafte. Solche Dienstbarkeiten nn beweglichen Sachen kennt aber unser Recht nicht. Und das ist auch recht gut. Denn wohin sollte es wohl führen, wenn jeder, der eine Sache veräußert, Gott weiß welche Beschränkungen in der Benutzung der Sache dieser mit auf den Weg geben und bleibend an sie fesseln könnte? Die verehrlichen Schriftsteller reden allerdings bisher nur von Leihbibliotheken, denen sie den Mißbrauch mit ihrem geistigen Eigentume verbieten zu können glauben. Haben sie aber ein solches aus der Natnr der Sache sich ableitendes Recht Wider die Leihbibliotheken, so haben sie es auch gegen jedermann, gleichviel, ob er das Ausleihen gewerbsmäßig betreibt oder nicht. Es giebt ja Anstalten, die für manche Klassen von Schriftstellern noch weit schlimmer sind als die Leihbibliotheken. Das sind die öffentlichen Bibliotheken. Denn diese pflegen ihre Bücher — man denke nnr! — sogar unentgeltlich an Lesebedürftige auSzuleiheu. Welch eine unbarmherzige Schädigung der armen Schriftsteller! Also schnell auf das Buch gedruckt: „Die Benutzung dieses Exemplars durch eine öffentliche Bibliothek ist untersagt!" Eine ganz verderbliche Einrichtung für die Kauflust des Publikums sind auch die bekannten Lesezirkel. Also setzen wir auch auf das Buch: „Die Benutzung dieses Exemplars für einen Lesezirkel ist untersagt!" Und weuu wir soweit sind, warum sollte man nicht der Kürze halber auf das Buch setzen: „Die Benutzung dieses Exemplars durch irgend jemand, mit Ausnahme des Eigentümers, ist untersagt!" Dann dürfte der Eigentümer auch nicht einem Freunde das Buch zum Lesen borgen.
Die Agitation beruft sich auf das durch Gesetz ausgesprochene Verbot der öffentlichen Aufführnng dramatischer Werke ohne Einwilligung des Urhebers. In dieser Beziehung muß zunächst bemerkt werden, daß dieses Verbot, in welchem Maße wir dasselbe auch als gerecht und billig anerkennen mögen, doch keineswegs aus der Natur der Sache sich ableitet, sondern seine Entstehung dem positiven Ausspruche des Gesetzes verdankt. Auch in denjenigen Fällen, in welchen nach dem Reichsgesctz vom 11. Jnni 1870 der an die Spitze gestellte Vorbehalt gegen Nachdruck oder öffentliche Anfführnng eine rechtliche Wirksamkeit äußert, verdankt er diese Kraft nur dem positiven Anssprnche des Gesetzes. Analog lassen sich vom Nichter solche Gesetze nicht anwenden. Es könnte sich daher nur fragen, ob es sich etwa empfehle, ein analoges Gesetz zu schaffen, welches den Schriftstellern gegen die Benutzung ihre Werke durch die Leihbibliotheken einen ähnlichen Schutz verleihe, wie ihn die Dramatiker gegen öffentliche Aufführungen genießen. Ohne nun den Anschaunngen unsrer Reichskörperschaften irgend vorgreifen zu wollen, glauben wir doch darauf hinweisen zn dürfen, daß beide Verhältnisse nicht ganz auf gleicher Linie stehen. Wenn ein veröffentlichtes Drama jeder beliebigen öffentlichen Aufführung unterläge, so könnten damit die Aufführenden vielleicht Tausende gewinnen, während der Schriftsteller und Verleger nichts davon hätten, als daß zur Veranstaltung der Aufführnng einige wenige Exemplare des Werkes gekanft würden. Die hierin liegende Unbilligkeit macht sich so stark fühlbar, daß auch schon vor dem gedachten Reichsgesetze der alte Bundestag durch Beschlüsse voni 22. April 1841 und vom 12. März 1857