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Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur. 5.
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84 Die katholischen Elemente in der deutschen Literatur.

WackenrodersHerzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders," Ludwig TiecksFranz Sternbnld" und in gesteigerter Weise seineGenoveva" gaben einer Empfindung Raum, an welcher der Ekel vor dem dürren, rechthaberischen und ärmlichen Rationalismus, der berechtigte Trotz gegen die Aberweisheit einer Lebensanschauung, die alle zufälligen Herkömmlichkeiten und unschönen Bräuche des Augenblicks als ideale und sittliche Güter pries, zunächst noch einen weit stärkern Anteil hatten als wirklich religiöse Empfindung. Ju August Wilhelm Schlegels GedichtDer Bund der Kirche mit den Künsten" ward die neue Auf­fassung der Nomantiker verkündet. Sie waren ohne Ausnahme Protestanten (erst in der zweiten Grnppe trat mit Clemens Brentano ein geborner Katholik hinzu), aber sie befruchteten ihre Phantasie mit Vorliebe aus jenen spanischen und italienischen Dichtern, in denen der volle Geist der Gegenreformation lebte. Die Romantik geht nach Julian Schmidts treffendem Wort an die Religion mit dem Bewußtsein und der Absicht, durch den Scheiu zu wirken und in dem Schein sich zu befriedigen. So wählt sie auch in dem religiösen Stoff, den sie aus den Ruinen zusammensucht, nur das äußerlich Jmponircnde." (Geschichte der Romantik im Zeitalter der Reformation und Revolution, Bd. 2, S. 46l!). Die Gemtttsinnigkeit der mittelalterlichen und selbst der Fanatismus der Jesuiten­poesie konnten auf dem Boden eines ästhetischen Bedürfcns nicht reifen. Wenn Friedrich Schlegel ausrief:Schon die Poesie fordert die Wiedergeburt der Religion als die einzige Möglichkeit auch der poetischen Versöhnung. Wir haben keine Poesie, weil nns die objektiv ästhetische Vorstellung, die allen Formen zu gründe liegen muß, weil uns eine Mythologie fehlt. Das Zentrum der Poesie ist iu der Mythologie. Dem modernen Dichter gebricht es an einem festen Halt für sein Wirken, an einem mütterlichen Boden, einer lebendigen Lnft. Aus dem Innern muß jeder für sich arbeiten, jedes moderne Werk ist eine Schöpfung aus dem Nichts. Solange wir keine substantielle Grundlage sür die poetische Anschauung haben, ist von einer allgemein giltigen Kunst keine Rede, das höchste Heilige bleibt immer namenlos und formlos, dem Zufall überlasseu. Wem? das nicht ewig so bleiben soll, so müssen wir eine neue Grundlage der Dichtung mit Bewußtsein erzeugen. Diese neue Mythologie muß aus dem tiefsten Schacht des Geistes herausgearbeitet werdeu, es muß das künstlichste aller Kunstwerke sein, denn es soll alle andern umfassen, eiu neues Bett uud Gefäß für den alten ewigen Urquell der Poesie uud selbst das unendliche Gedicht, welches die Keime aller andern Gedichte enthält, ein Chaos, das nur auf die Berührung der Liebe wartet, um sich zu einer harmonischen Welt zu gestalten," so mochte der Bewundrer Goethes und Schillers der Kritik spotten, die gerade diesem Zeitraum die Poesie absprach, und der schlichtgläubigc Katholik den Kopf schüt­teln zu der Auffassung, welche die uralt heilige Religion aus ihrer Willkür und ihrer Reflexion neu zu erzeugen wähnte. Aber der Rückweg zur alten Ordnung der Dinge war betreten, die Unterwerfung unter die Antoritätsan- sprüche der Kirche ebendcimit angebahnt.