Musikalische Genüsse.
Grade deren.Erfolg. Die Jnstrumentaleinleitung erscheint endlos, die Chöre kommen zu keinem Schlüsse. Das Werk hat überraschende Schönheiten und ergreifende Momente, ist aber, weil ihm gut entwickelte Cantilenen und knappe Form so gänzlich fehlen, nicht imstande, nachhaltig zu wirken.
Mit der das Fest einleitenden Elisabeth-Aufführnng wurde leider nicht eine Reihe erhebender und erfrischender Kunstgenüsse eröffnet, sondern eine Folge qualvoller Leidensstationen, ein wahrer Olbergswcg. In sechs Tageil drängten sich nenn Aufführungen zusammen von vernichtender Zeitdauer — jede beanspruchte drei bis vier Stunden — und einem großenteils abstrusen, ja dem denkbar unerquicklichsten Inhalt. Ein neben nur sitzender Herr, der übrigens das Band der Mitgliedschaft trug, stieß schon während des ersten Kammermnsik- konzertes verzweifelt die Worte aus: „Der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an!" Und ein andres Vereinsmitglied, das dann zugleich mit mir der schwülem Musikatmvsphcire Weimars entfloh, sagte in seiner gemütlich sächsischen Weise: „Sehen Sie, lieber Herr, wir haben in Deutschland eine Anzahl junger, unreifer, eingebildeter Klavierdrcscher, die alljährlich das unbezwingbare Bedürfnis fühlen, sich als Komponisten vor aller Welt schmählich zu blamiren und die deutsche Kunst lächerlich zu machen. Sie haben keine Ideen, es füllt ihnen schlechterdings nichts ein, sie haben aber auch nichts ordentliches gelernt. Sie duseln und duseln, und wenn sie den Blütenstaub von Schumann, Berlivz und Wagner an Rüssel und Pfoten hängen fühlen, Produziren sie einen chaotischen, aus bekannten Motiven uud Wendungen gekneteten Mischmasch, der alles andre, nur keine Musik ist." Das Urteil des alten Herrn war hart, aber nicht ungerecht. Wahrlich, dieser letzten Tage Qual war groß!
Einzelne Ausnahmen, die ans diesem musikalischen Hexensabbat hervorragten und die Ehre Deutschlands retteten, sollen übrigens sofort hier verzeichnet werden. Es waren dies das Quartett von A. Klughardt, das Oratorium von Raff, die Sinfonien von F. Draeseke und E. Lassen, das Sextett von Brahms und das „Spanische Liederspiel" von Schumann.
Die Aufführung der „Heiligen Elisabeth" darf, wenn anch die Chöre, besonders die Franenchöre, zu wünschen übrig ließen, als eine im ganzen gelungene bezeichnet werden; da jedoch die Enge der Weimarer Bühne die Entfaltung größerer Massen nicht gestattet, so wurden gerade die Tableaus, auf die es besonders abgesehen schien, in ihrer vollen Wirkung beeinträchtigt. Der Vollständigkeit halber bemerke ich, daß der Aufführung ein Vorspiel „An der Jlm" von A. Stern vorausging und die Legende selbst in vier Bilder, ein Vor- und ein Nachspiel zerfiel, ungerechnet die sehr ausgedehnte Jnstrumeutaleinleitnng. Die Bilder waren folgende: Ankunft Elisabeths ans der Wartburg (darin sogar ein Ballet vou sehr zweifelhaftem Werte), das Rosenwunder, der Abschied, Elisabeths Vertreibung, Hinscheiden und Bestattung. Als die besten Opernkräfte erwiesen sich die Damen Schärnack und Meibauer und die Herren Milde und Scheidemantel.