Contribution 
Wirtschaftliche Fragen im österreichischen Reichsrate.
Page
571
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 

Wirtschaftliche Fragen im österreichischen Reichsrate.

371

kommt durch die Nordbcihn befördert auf 2060 Gulden. Die Berichte der schlesischen Handels- und Gewerbekammer in Troppau haben noch durch viele andre Beispiele belegt, wie schwer die Tarife der Nordbahn auf der Industrie und der Landwirtschaft lasten so läßt eine stark exportirende Fabrik gebogener Möbel ihre Ware aus dem östlichen Schlesien über Auschwitz und Breslau nach Wien und Trieft gehen, weil dieser Umweg die Fracht billiger macht! aber die Kohle macht diese Mißstände allen Schichten der Bevölkerung täglich fühlbar. Daher ist seit Jahren die Kohlenteuerung und deren Einfluß auf die allgemeinen Lebensverhältnisse, die Konkurrenzfähigkeit der Industrie u. s. w. ständiges Thema der Besprechung und Klage, und mit wahrer Sehnsucht erwartet man den endlichen Ablauf des fünfzigjährigen Privilegiums der Nordbahn.

Als nun die Regierung mit dem ganz unbegreiflichen Ansinnen, der Nordbahngesellschaft ein neues Privilegium unter verhältnismäßig unbedeutenden Einschränkungen zu verleihen, an den Reichsrat herantrat, konnte dieser ohne alle Anstrengung die verlorene Popularität wiedergewinnen, konnte die Linke der Regierung und der Regierungspartei die empfindlichste Niederlage beibringen unter einmütiger Zustimmung der ganzen Bevölkerung nach Abzug der Ver­waltungsräte, Aktionäre und Satelliten jener Bahn. In der That wurde in der Presse die Vorlage kritisirt, aber so zaghaft, mit soviel Vorbehalten und Rücksichten, daß die vielbetonte Unabhängigkeit wieder einmal sich in eigentüm­licher Beleuchtung darstellte. Konsequenterweise wurde denn auch jenen Kreisen der Bevölkerung, welche eine andre Behandlung des Themas forderten und ihre Stimme für die Verstaatlichung der Bahn erhoben, die Berechtigung mitzureden kurzweg abgesprochen. Volksstimme ist nur dann Gottesstimme, wenn sie sich zum Echo der Zeitungsstimme macht! Die Verlängerung des Privilegiums bloß mit dem Zugeständnis eines gewissen Einflusses des Staates auf die Tarifsätze konnte zwar niemand ganz in Schutz nehmen; allein man leugnete vor allem das Recht des Staates, die Bahn zn übernehmen, stellte ihn ferner als unfähig hierzu dar und schilderte endlich die großen Gefahren für Staat und Volk, welche von der Verstaatlichung untrennbar seien.

Ohne Zweifel wäre die Frage, ob der Bahnkörper nach Erlöschen des Privi­legiums dem Staat zufalle oder nicht, ein vorzüglicher Bissen für Advokaten. Im Privilegium ist das Heimfallsrecht nicht ausdrücklich gewahrt, und die ge­setzliche Bestimmung, aus welcher dies deduzirt werden könnte, ist um vier Jahre jünger als das Privilegium. Doch ist ebensowenig der Nordbahngesellschaft das Eigentum des Bahnkörpers über die Privilegiumsdauer hinaus zuerkannt, sondern nur dieReal- und Mobilarzugehörungen," worunter nach dem bürger­lichen Gesetzbuch und Analogien nur der Fahrpark u. s. w. verstanden werden kann. Die Frage ist also streitig. Daraus folgern die Nordbahn-Juristen, der Staat werde den Bahnkörper ablösen müssen und zwar nicht nach dem Boden-