Beitrag 
Die Engel auf Erden : Roman : aus dem Italienischen :
(Fortsetzung.)
Seite
562
Einzelbild herunterladen
 

Die Gngel auf Erden.

Roman von Viktor Bersezio. Aus dem Italienischen. (Fortsetzung.)

a! den, der mich herausfordert, der sich so sicher vor mir glaubt, den zu meinen Füßen zu sehen, zappelnd, demütig, bittend, ra­send! Und ihm dann zu antworten! Oh, ich weiß schon, was ich ihm antworte. Und diese Rache, sollte sie unmöglich sein? Laurette besah sich im Spiegel, sah die reiche Schönheit ihrer zweiunddreißig Jahre in der Frische von vier Lustren erglänzen und lächelte, von ihrer Eigenliebe zufriedengestellt, sich selbst mit einem wohlgefälligen und er­mutigenden Lächeln zu.

Es wird gelingen! Und nun schlüpfte sie wie ein spielendes Kind oder wie ein verzogenes Kätzchen in ihr Bett, um ruhig zu schlummern, trotz des von Zeit wiederkehrenden geräuschvollen Hustens ihres Gatten, der in dem be­nachbarten Zimmer von Schlaflosigkeit gepeinigt wurde.

Und Rina? Sie hatte ihren Knaben zu Bette gebracht, hatte sich dann an das von der Porzellankuppel der Lampe zurückgeworfene Licht gesetzt und wollte lesen; aber zwischen das Buch und ihre Gedanken hatten sich sofort die Bilder der Vergangenheit eingedrängt, und diese Bilder mußten Wohl recht schwermütig und schmerzerregcnd sein, denn die Hand und das Buch in ihr waren auf die Knie herabgefallen, das Haupt hatte sich ans die Brust gesenkt, und stille, heiße Thränen flössen über ihre Wangen. Wer sie so gesehen hätte, wie sie in ihrem langen, weißen, faltenreichen Kleide dasaß, weinend und gott­ergeben, der hätte sie für das Abbild der gekränkten Unschuld, welche duldet und verzeiht, halten können.

Sie fühlte, daß die immer höher ansteigenden Wogen ihrer schmerzlichen Erinnerungen ihre Seele ergriffen und in Bitterkeit versenkten, und sie wollte vor den Stürmen der Vergangenheit einen Schutz in der Hoffnung auf die Zu-